taz.de -- Polizeiaktion im Hambacher Forst: Kohle-Gegner fühlen sich schikaniert

Eigentlich müsste der Konflikt um den Hambi entschärft sein, weil der Wald erhalten bleiben soll. Dennoch griff jetzt die Polizei wieder ein.
Bild: Hambi: Waldarbeiter inspizieren einen Dreifuß, bevor er abgerissen wird

Kerpen dpa | Die Polizei hat am Dienstag einen [1][Einsatz im Hambacher Forst] begonnen. Dabei würden mehrere Hundertschaften eingesetzt, sagte ein Polizeisprecher. Es gehe nicht um die Räumung von Baumhäusern, sondern um die Beseitigung von Barrikaden, die die Einsatzwege versperrten.

[2][Waldbesetzer] hätten teilweise bis zu 15 Meter hohe Strukturen aus Baumstämmen mit Plattformen auf den Waldwegen errichtet. Dies könne die Polizei nicht hinnehmen, da die Wege für Streifenwagen, Rettungsfahrzeuge oder Feuerwehrautos frei bleiben müssten, sagte der Sprecher. Der Wald war 2018 zum Symbol des Kampfes zwischen Klimaschützern und Kohlebranche geworden.

Die Zahl der Waldbesetzer schwankt nach Polizeiangaben stark, bewegt sich aber ungefähr um die Marke von 100 Personen. Sie kämen aus einem breiteren politischen Spektrum, unter anderem aus der anarchistischen und aus der Umweltszene. Die Waldbesetzer haben an die 100 neue Baumhäuser errichtet. Diese reichen von einfachen Konstruktionen aus Paletten und Planen bis zu mehrstöckigen Hütten mit Fenstern, Dächern und Solartechnik. Bei dem Einsatz am Dienstag solle aber nicht gegen Baumhäuser vorgegangen werden, betonte der Polizeisprecher.

Das Anti-Kohle-Bündnis „Ende Gelände“ verurteilte die Polizeiaktion als unnötige Provokation. „Das sieht nach einem typischen Fall von polizeilicher Schikane aus“, sagte „Ende Gelände“-Sprecherin Ronja Weil. „Wir solidarisieren uns mit den BesetzerInnen.“ Die Barrikaden stellten für niemanden eine Gefahr dar.

RWE baggert weiter

Auch wenn im Rahmen des Kohle-Kompromisses die Erhaltung des Waldes vereinbart worden sei, bleibe seine Zukunft gefährdet. „Es wird immer wieder von RWE weitergebaggert, da gibt's immer wieder Provokationen“, sagte Weil. „Ende Gelände“ ist nicht selbst an der Besetzung des Waldes beteiligt, unterstützt die Waldbewohner aber.

Der Wald zwischen Köln und Aachen sollte ursprünglich für den fortschreitenden Tagebau gerodet werden. In einem der größten Polizeieinsätze der nordrhein-westfälischen Geschichte wurde der Wald im Herbst 2018 geräumt. 86 Baumhäuser wurden zerstört.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) argumentierte, es dürfe keinen rechtsfreien Raum geben. Schließlich verständigten sich Bund, Länder und Energiekonzerne jedoch Anfang dieses Jahres im Zuge der Kohle-Einigung darauf, dass der Wald doch erhalten bleiben soll.

23 Jun 2020

LINKS

[1] /Protest-im-Hambacher-Forst/!5679897
[2] /Geldstrafe-fuer-Anti-Kohle-Aktivistinnen/!5661582

TAGS

IG
Polizei
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Hambacher Forst
IG
Polizei NRW
Kohleausstieg
Polizei NRW
Datteln

ARTIKEL ZUM THEMA

Braunkohle-Blockaden in NRW: Nach der Straße das Loch

Um Braunkohle abzubauen, sollen fünf bewohnte Dörfer weichen. An einer Landstraße haben Anwohner*innen und Aktivist*innen Abrissarbeiten blockiert.

Polizeiaktion im Hambacher Forst: „Zur Gefahrenabwehr“

Die Polizei hat im Hambacher Forst eine Palette Desinfektionsmittel beschlagnahmt. Den verbleibenden Plastikmüll ließen die Beamten zurück.

Kohlevertrag der Großen Koalition: Teure Chance fürs Klima

Der Vertrag zum Kohleausstieg ist besser geraten als befürchtet. Für die Steuerzahler wird er aber auch teuer.

Hambacher Forst während Corona: Pandemie unter Wipfeln

Im Hambi leben auch in der Coronazeit Menschen in Baumhäusern. Genug zu tun haben sie: Medizin sammeln, Beton aufschlagen, sich um die Dürre kümmern.

Protest im Hambacher Forst: Polizeieinsatz mit MP5

Nach einem Einsatz im Hambacher Forst erheben Aktivist*innen Vorwürfe: Eine Beamtin habe eine MP5 auf sie gerichtet. Die Polizei bestätigt das nicht.

Aktivistin über Kohlekraftwerk Datteln: „Kämpfen wie für den Hambi“

Die Aktivistin Kathrin Henneberger kämpfte schon für den Erhalt des Hambacher Walds. Nun protestiert sie gegen das Kohlekraftwerk Datteln IV.