taz.de -- Vorwürfe gegen US-Kandidat Joe Biden: Besser wär's, er ginge

Die Vorwürfe zu sexuellen Übergriffen gegen US-Präsidentschaftsanwärter Joe Biden verdichten sich. Kann er sie nicht entkräften, wird er gehen müssen.
Bild: Unter Druck: der demokratische Trump-Herausforderer Joe Biden

Es hat eine Weile gedauert, bis der [1][Verdacht früherer sexueller Übergriffe] gegen den designierten demokratischen Kandidaten für die US-Präsidentschaft, Joe Biden, ins Bewusstsein der US-Öffentlichkeit gelangt ist. Biden konnte es sich bislang erlauben, persönlich überhaupt nicht zu reagieren, sondern lediglich sein Wahlkampfteam alle Vorwürfe der heute 56-jährigen Tara Reade für frei erfunden erklären zu lassen. Doch das ist nach neuen Indizien vorbei: Reades Erzählung davon, wie der damalige Senator Biden sie 1993 als 29-jährige Mitarbeiterin sexuell bedrängt und zwischen die Beine gefasst habe, ist inzwischen mindestens so glaubwürdig wie jene, die Christine Blasey Ford vor nicht einmal zwei Jahren über den damaligen Kandidaten für den Obersten Gerichtshof, Brett Kavanaugh, zu berichten hatte.

Damals präsentierten sich die Demokrat*innen als [2][die Partei des #MeToo], als jene, die wissen, dass Opfer sexueller Gewalt oft viele Jahre brauchen, um über ihre Erlebnisse sprechen zu können. Unter Hashtags wie #Believethewomen warben sie darum, Frauen Glauben zu schenken und mächtigen Männern ihre sexistischen Übergriffe nicht mehr durchgehen zu lassen. Der Vorwurf, im Vergleich der Fälle Biden und Kavanaugh mit zweierlei Maß zu messen, ist offensichtlich.

Und so mehren sich jetzt die Stimmen jener aus dem demokratischen Lager, die Biden sehr ultimativ auffordern, sich endlich selbst zu verhalten. Von manchen aus dem – noch in Teilen bestehenden – [3][Wahlkampfteam von Bidens Konkurrenten Bernie Sanders] heißt es schon, Biden sollte die Kandidatur aufgeben.

Das Problem für die Demokrat*innen ist dabei nicht, dass sich Wähler*innen von Biden ab- und Amtsinhaber Donald „Grab ’em by the pussy“ Trump zuwenden könnten. Dessen Wiederwahl zu verhindern, dürfte vielmehr das Hauptmotiv vieler sein, überhaupt im November zur Wahl zu gehen. Aber wenn Biden nicht irgendeinen überzeugenden Weg findet, mit den Vorwürfen umzugehen, würde es für viele Demokrat*innen zu einer Zumutung, ihm ihre Stimme zu geben. Dann wäre es besser, er ginge. Und zwar gleich.

29 Apr 2020

LINKS

[1] /Praesidentschaftskandidat-Joe-Biden/!5678748
[2] /Neues-Album-von-Mathegenie-Caribou/!5668417
[3] /Vorwahlen-bei-den-US-Demokraten/!5677819

AUTOREN

Bernd Pickert

TAGS

Sexuelle Übergriffe
US-Demokraten
Schwerpunkt #metoo
Donald Trump
Joe Biden
Schwerpunkt Rassismus
US-Demokraten
Schwerpunkt #metoo
US-Wahl 2024
House

ARTIKEL ZUM THEMA

Schwarze Wähler*innen in den USA: Biden zerknirscht über eigene Aussage

Am Freitag düpierte der voraussichtliche demokratische Präsidentschaftskandidat in einem Interview schwarze Wähler*innen. Nun folgte eine Entschuldigung.

US-Kandidat Joe Biden unter Druck: „Das ist nie passiert“

Der designierte demokratische Kandidat für die US-Präsidentschaft, Joe Biden, weist erstmals persönlich Vorwürfe sexueller Übergriffe zurück.

Präsidentschaftskandidat Joe Biden: Kandidat Kellerkind

Dank Corona kann Joe Biden keinen Wahlkampf führen, sondern sitzt zu Hause. Und jetzt gibt es neue Indizien für frühere sexuelle Übergriffe.

Vorwahlen bei den US-Demokraten: Sanders kämpft weiter

Der Politiker will weiter Druck auf das Establishment der Demokraten ausüben. Nur mit progressiver Politik könne Biden Präsident Trump schlagen.

Neues Album von Mathegenie Caribou: Emotional breit aufgestellt

Tröstendes in schwierigen Zeiten: Caribou – der in London lebende kanadische Elektronikproduzent Daniel Victor Snaith und sein neues Album „Suddenly“.