taz.de -- Entscheidung des Verfassungsschutzes: Der „Flügel“ ist rechtsextrem

Der Verfassungsschutz beobachtet die Strömung in der AfD nun vollständig. Verbeamtete Mitglieder müssen deutliche Konsequenzen fürchten.
Bild: Andreas Kalbitz und Björn Höcke beim Wahlkampf in Thüringen

Berlin taz | Der „Flügel“, die [1][einflussreiche Strömung am rechten Rand der AfD], ist für den Verfassungsschutz jetzt offiziell ein Beobachtungsfall. Der Inlandsgeheimdienst sieht also seinen Verdacht bestätigt, dass es sich bei dem Zusammenschluss um eine klar rechtsextreme Bestrebung handelt.

Der „Flügel“ sei eine „erwiesen extremistische Bestrebung“, sagte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin. „Die bisherigen Anhaltspunkte haben sich zur Gewissheit verdichtet.“ Schon seit Januar 2019 war der „Flügel“ von dem Geheimdienst als „Verdachtsfall“ gelistet.

Der Verfassungsschutz verwies nun auf die organisatorische Festigung des „Flügels“, der Marginalisierung von Gegenkräften der Gruppe in der [2][AfD] und einer verstärkten Vernetzung in der rechtsextremen Szene. Haldenwang sprach auch von einem „Bedeutungszuwachs“ des „Flügel“-Anführers [3][Björn Höcke], dessen teils brachiale Aussagen und dessen Kontakte zu Rechtsextremisten wie dem Pegida-Frontmann Lutz Bachmann.

Der Verfassungsschutz gehe gegen alle Bedrohungen des Rechtsextremismus vor, sagte Haldenwang. Dies gelte auch, wenn sie aus dem parlamentarischen Raum kommen. Die Einstufung des Flügels sei deshalb auch eine „Warnung“, so der Präsident: „Wir stehen zusammen und handeln.“ Der Verfassungsschutz rechnet dem Flügel bundesweit 7.000 Mitglieder zu. Man habe sich dabei an Selbstzuordnungen der Anhänger orientiert, so der Dienst.

Auch Elsässer und Kubitschek im Blick

Die AfD im Gesamten führt der Verfassungsschutz weiterhin nur als „Prüffall“, die Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ als „Verdachtsfall“, eine Stufe höher.

Problematisch werden kann es nun für BeamtInnen, die zum „Flügel“ gehören – wie Höcke beispielsweise, der eigentlich Lehrer ist. BeamtInnen sind grundsätzlich zur Verfassungstreue verpflichtet. Nun indes stuft der Verfassungsschutz ihre Organisation als klar rechtsextrem an.

Gleichzeitig erwähnte Haldenwang auch, dass das Compact-Magazin des Publizisten Jürgen Elsässer als rechtsextremer „Verdachtsfall“ geführt werde. Auch der neurechte Vordenker Götz Kubitschek sei im Blick. Haldenwang sprach von einem neurechten Netzwerk, das eine gefährliche Scharnierfunktion von der gesellschaftlichen Mitte zu Rechtsextremen darstelle.

Mit der Einstufung des Flügels zählt der Verfassungsschutz nun 32.000 Rechtsextremisten in Deutschland – zuletzt waren es noch 24.100. Haldenwang verwies auf die Terroranschläge auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, in Halle und in Hanau. „Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus sind aktuell die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland“, betonte Haldenwang. „Unser gesetzlicher Auftrag verpflichtet uns zum Handeln. Und wir handeln.“

12 Mar 2020

LINKS

[1] /Alternative-fuer-Deutschland/!5648934/
[2] /Schwerpunkt-AfD/!t5495296/
[3] /AfD-nach-Thueringen-Debakel/!5667334/

AUTOREN

Sabine am Orde
Konrad Litschko

TAGS

Schwerpunkt AfD
Der Flügel
Verfassungsschutz
Rechtsextremismus
Björn Höcke
Götz Kubitschek
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Alice Weidel
Schwerpunkt AfD
Björn Höcke
Landwirtschaft

ARTIKEL ZUM THEMA

Institut von Kubitschek unter Verdacht: Im Verfassungsschutz-Visier

Der Verfassungsschutz stuft das Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Dieser Schritt war absehbar.

Rechtsextreme Strömung in der AfD: Partei setzt Kalbitz unter Druck

„Flügel“-Anführer Andreas Kalbitz soll alle politischen Vereinigungen auflisten, in denen er Mitglied war oder zu denen er Kontakt hatte.

Thüringer Innenminister über die AfD: „So etwas hatten wir noch nie“

Weil der „Flügel“ als rechtsextrem gilt, wird es für BeamtInnen in der AfD brenzlig. Georg Maier will allen im Staatsdienst einen Brief schicken.

Nach Hanau: Zeichen, die ermutigen

Rechtsterroristen wollen die Gesellschaft in Angst versetzen. Doch das Selbstbewusstsein der Betroffenen wächst. Die Mörder werden ihr Ziel nicht erreichen.

Geheimdienstchef über „Flügel“: „Das ist offener Rassismus“

Wie Thüringens Verfassungsschutzchef Kramer nun mit „Flügel“-Mann Höcke umgeht und warum er die ganze Landes-AfD zum „Verdachtsfall“ erklärt.

AfD-„Flügel“ ist rechtsextrem: „Warnung an Feinde der Demokratie“

Der Verfassungsschutz begründet die Einstufung mit einer Radikalisierung der Höcke-Truppe. Diese zählt nun mehr Anhänger als die NPD.

Der rechtsextreme Flügel der AfD: Gefährlicher als die NPD

Der Verfassungsschutz stuft die AfD-Strömung „Der Flügel“ als rechtsextrem ein. Ihr Einfluss aber ist parteiintern so groß, dass dies nicht ausreicht.

Einigung bei den radikal Rechten: AfD kommt Rentenkonzept näher

Die AfD einigt sich auf einen Kompromiss. Dabei kommt Parteichef Meuthen schlechter, der „Flügel“ besser weg. Beide wollen mehr Geburten.

AfD nach Thüringen-Debakel: Verlierer Höcke

Erst sah es aus wie ein Coup. Doch die Trickserei des AfD-Rechtsaußen im Thüringer Landtag ging nach hinten los.

Bauernbewegung in Niedersachsen: Von AfD abgrenzen? Nö!

Eine Sprecherin der Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“ sagt: Es ist egal, ob uns die Rechtsradikalen oder eine andere Partei unterstützen.