taz.de -- Rigide Corona-Maßnahmen in Österreich: Die Botschaft ist angekommen

Die Sorglosigkeit, mit der man wochenlang die Gefahren ignorierte, führte dazu, dass nun ganze Täler in Österreich unter Quarantäne gestellt sind.
Bild: Gesperrte Straßen: Die Kärntner Gemeinde Heiligenblut steht bis zum 29. März unter Quarantäne

Alle Tageszeitungen Österreichs erschienen am Sonntag mit einer ganzseitigen Anzeige der Bundesregierung auf dem Deckblatt: „Schau auf dich, bleib zu Hause. Besonders wenn du über 65 bist.“ Mit null Uhr Montag hat die Regierung das Geschäfts- und das soziale Leben zum Erliegen gebracht. Vorerst für eine Woche, doch allen ist klar: [1][Der Ausnahmezustand] wird zum Dauerzustand. Österreich ergreift im Vergleich zu stärker von der Corona-Pandemie betroffenen Ländern drastische Maßnahmen. In einer Sondersitzung hat der Nationalrat sogar ein De-facto-Ausgehverbot erlassen: einstimmig.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ist kein Mann, der Panik verbreitet. Im Gegenteil: Durch seine besonnene Art hat er von Beginn der Krise an für Beruhigung gesorgt aber das Ausmaß der Bedrohung nicht kleingeredet. Die Sorglosigkeit, mit der man [2][in den Tiroler Skigebieten] wochenlang die Gefahren abendlicher Geselligkeit ignorierte, hat dazu geführt, dass ganze Täler unter Quarantäne gestellt wurden. In Rest-Österreich sollen solche Zustände vermieden werden. Deswegen lernt man von China und Südkorea, deren Maßnahmen vielen übertrieben erschienen, aber dazu führten, dass der Peak von Neuinfektionen bereits überschritten wurde.

Österreich mit seinen bisher etwa 800 Infizierten und nur einem Todesopfer ist vom Peak weit entfernt. Es geht darum, die exponentielle Ausbreitung des Virus zu dämpfen. Dass diese Botschaft angekommen ist, zeigt das bisher große Verständnis, mit dem die Bevölkerung die Einschränkungen aufgenommen hat. Auch die Wirtschaft zeigt sich kooperativ.

Nicht zuletzt weil sich Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) vom Dogma des Nulldefizits (schwarze Null) verabschiedet und angedeutet hat, dass ein 4-Milliarden-Euro-Paket zur Rettung von Arbeitsplätzen und gefährdeten Betrieben erst der Anfang staatlicher Stützen ist. Die Regierung zeigt gerade, dass sie nicht nur Inszenierung und Wählerbeschwichtigung kann, sondern im Notfall auch Vernunft walten lässt.

15 Mar 2020

LINKS

[1] /Oesterreichs-Einreisestopp-wegen-Corona/!5671229
[2] /Coronakrise-in-Oesterreich/!5671665

AUTOREN

Ralf Leonhard

TAGS

Schwerpunkt Coronavirus
Österreich
Sebastian Kurz
Skitourismus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Corona-Lockerungen in Österreich: Wörthersee statt Ibiza

Österreich lockert schrittweise. Dabei werden Virologen und Wirtschaftsvertreter gleichermaßen zufriedengestellt.

Österreich kündigt Lockerung an: Wiederauferstehung nach Ostern

Österreich will seine strikten Corona-Maßnahmen nach Ostern schrittweise lockern – und Tracking per App nicht zur Pflicht machen.

Schulschließungen wegen Coronavirus: Fünf Wochen Zwangsferien

In fasten allen Bundesländern schließen nun auch die Schulen. Vor allem Abiturient:innen passt das gar nicht in den Kram.

Coronakrise in Österreich: Tiroler Skigebiete unter Quarantäne

Laut Bundeskanzler Kurz stehen das Paznauntal und die Gemeinde St. Anton ab sofort unter Quarantäne. Schüler sollen via Mail unterrichtet werden.

Österreichs Einreisestopp wegen Corona: Grenze zu Italien dicht

Österreich hat die Schengen-Regelung wegen Corona außer Kraft gesetzt. Für alle, die aus Italien einreisen wollen, ist die Grenze geschlossen.

Maßnahmen gegen Coronavirus: Keine Schule, keine Küsse

Italien schließt alle Schulen und Universitäten und warnt vor zu viel menschlicher Nähe. Das deutsche Hotelgewerbe sorgt sich um den Umsatz.