taz.de -- Ministerin Klöckners Umgang mit Kritik: Argumente sind keine Hassrede

Die Reaktion der CDU-Politikerin auf die Kritik an ihrer Pestizidpolitik hintertreibt den Kampf gegen Hatespeech. Sie diffamiert sachliche Einwände.
Bild: Klöckners zentrales Argument hat sich in Luft aufgelöst

Selten hat eine Politikerin den Kampf gegen Hass und Hatespeech so konterkariert wie Bundesernährungsministerin Julia Klöckner. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende warf kürzlich bei Twitter der Grünen-Politikerin Renate Künast vor, [1][Nährboden für „Hatespeech“] zu bereiten. Man konnte den Tweet sogar so lesen, als ob sie Künast Beteiligung an Hassrede angekreidet hätte.

Was Hassrede bedeutet, weiß ausgerechnet Künast nur zu gut. Sie ist eine der prominentesten Vorkämpferinnen gegen Hassbotschaften im Internet. Mehrmals ist sie rechtlich gegen zum Beispiel eindeutig frauenfeindliche Beleidigungen und Verleumdungen vorgegangen. Sie selbst wurde immer wieder obszön beschimpft („Drecksf...“) und übelst falsch zitiert.

Das war „Hassrede“ – und damit hat Künasts aktuelle Kritik an der Politik der Ministerin nichts zu tun. Sie hatte nur den taz-Bericht mit dem Titel „[2][Klöckner für Giftimporte]“ verlinkt, wonach sich die CDU-Politikerin für die Zulassung von Lebensmittelimporten mit besonders gefährlichen, in der Europäischen Union verbotenen Pestiziden einsetzt. Dazu hatte Künast geschrieben: „Die Kinder schützen, nicht Konzerne. Was bei uns für giftig gehalten wird, ist auch giftig im Import.“ Klöckner hat also eine völlig legitime Meinungsäußerung diffamiert.

Besonders peinlich ist, dass die Ministerin in der Sache noch nicht einmal recht hat. Anders als sie bei Twitter im Brustton der Entrüstung behauptete, hat sie sich nämlich tatsächlich für neue Regeln eingesetzt, die die Genehmigung von Lebensmitteleinfuhren mit besonders schädlichen Pestiziden ermöglichen könnten. Sie verteidigte sich vor allem mit der Behauptung, dass die Behörden Anträge auf Einfuhrgenehmigungen für solche Waren bereits prüften, aber immer abgelehnt hätten. Am Donnerstag stellte sich nach taz-Recherchen heraus: Es sind noch gar keine Anträge gestellt und damit auch nicht entschieden worden. Klöckners zentrales Argument hat sich in Luft aufgelöst.

21 Feb 2020

LINKS

[1] /Agrarministerin-zu-Essen-mit-Pestiziden/!5665146
[2] /Essen-mit-gefaehrlichen-Pestiziden/!5663710/

AUTOREN

Jost Maurin

TAGS

Julia Klöckner
Hassrede
Schwerpunkt Pestizide
Schwerpunkt Meta
Julia Klöckner
Schwerpunkt Pestizide
Schwerpunkt Pestizide
Soziale Medien

ARTIKEL ZUM THEMA

Renate Künasts Klage gegen Facebook: Digitale Gewalt stoppen

Die Grünen-Politikerin Renate Künast klagt gegen Facebook – und legt sich nicht nur mit dem Tech-Giganten an. Es ist auch eine Botschaft an die Hater.

Falsche Behauptung der Agrarministerin: Ist Klöckner die deutsche Trump?

Die Agrarministerin habe im Streit über ihre Pestizidpolitik die Unwahrheit gesagt, so Umweltschützer. Für einen Widerruf fehle ihr der Anstand.

Agrarministerin zu Essen mit Pestiziden: Klöckners giftige Verteidigung

Die Politikerin dementiert, dass sie für Lebensmittelimporte mit gefährlichen Pestiziden kämpfe. Nach taz-Recherchen macht sie einen Rückzieher.

Essen mit gefährlichen Pestiziden: Ministerin Klöckner für Giftimporte

Die Ernährungsministerin fordert: Nahrungsmittel sollen importiert werden dürfen, auch wenn sie gefährliche, in der EU untersagte Pestizide enthalten.

Künast-Urteil teilweise revidiert: Na bitte, geht doch

Die Beleidigungen Renate Künasts werden endlich als solche anerkannt. Trotzdem fällt es schwer, sich über diesen Teilerfolg aufrichtig zu freuen.