taz.de -- Pläne des Finanzministeriums: Klimageld für Kohlekonzerne

Die Regierung will eine Milliarde Euro Entschädigung für den Kohleausstieg aus dem Topf für Klimapolitik bezahlen. Experten kritisieren das.
Bild: Finanzminister Scholz will die Entschädigungssumme aus dem „Energie- und Klimafonds“ nehmen

Berlin taz | Eigentlich sollen der [1][„Energie- und Klimafonds“] (EKF) im Bundeshaushalt die sauberen Energien der Zukunft finanzieren. Aber jetzt wird daraus erst einmal die Abwicklung der dreckigen Energien der Vergangenheit bezahlt. Mit insgesamt einer Milliarde Euro aus dem EKF will das Bundesfinanzministerium die Kohlekonzerne für die Abschaltung ihrer Kraftwerke entschädigen. Das hat das Haus von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) den Abgeordneten des Finanzausschusses im Bundestag Ende letzter Woche bestätigt.

Demnach sind im Haushalt 2020 von den knapp 7 Milliarden Euro des EKF bereits 300 Millionen Euro für die Entschädigungen vermerkt. Für die Jahre 2021 und 2022 plant das Finanzministerium mit jeweils weiteren 350 Millionen für diese Aufgabe, bestätigte ein Ministeriumssprecher der taz.

Das Geld ist die erste Tranche der insgesamt 4,35 Milliarden Euro, die die Bundesregierung den Kohlekonzernen versprochen hat, wenn sie ihre alten Kraftwerke bis 2038 sukzessive abschalten. Ob auch die noch fehlenden 3,35 Milliarden aus dem „Energie- und Klimafonds“ bestritten werden sollen, ist unklar. „Wir sind im Verfahren der Haushaltsaufstellung mit den Einnahmen und Ausgaben des Bundes“, heißt es aus dem Ministerium.

Von Abgeordneten und auch vom CDU-geführten Wirtschaftsministerium kommt Widerspruch – nicht darüber, dass das Geld fließen soll, sondern, aus welchem Topf es kommt. Denn der EKF finanziert laut Bundesregierung Programme, die „einen zentralen Beitrag zur Umsetzung der Energiewende und zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele leisten.“

Deshalb kritisiert Sven-Christian Kindler, Haushaltsexperte der Grünen-Fraktion: „Der Klimafonds soll den Klimaschutz finanzieren, nicht hoch fragwürdige Geschenke an Kohlekonzerne, die jahrzehntelang das Klima zerstört haben.“ Er befürchtet, dass auf lange Sicht Entschädigungszahlungen aus dem EKF die Abflüsse für Zukunftsprojekte „kannibalisieren“ könnten. Die Entschädigungen aus Steuergeldern nennt er „hochgradig absurd“, denn die Stilllegung abgeschriebener Kraftwerke wäre auch ohne diese Zahlungen möglich, wie ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags belege.

Auch für Andreas Mattfeldt, Haushaltspolitiker der CDU-Fraktion, ist der EKF nicht dazu da, den Kohleausstieg zu finanzieren, sondern „in Zukunftsprojekte zu investieren“, sagte er auf Anfrage. „Bei der Finanzierung von Wasserstoff oder der [2][Elektromobilität] kommen zusätzliche Aufgaben auf den Fonds zu.“ Der Ausstieg sei eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, die deshalb auch aus einem allgemeinen Haushaltstitel finanziert werden sollte. Ähnlich kritisch, berichten die Abgeordneten, hätte sich im Ausschuss der parlamentarische Staatssekretär aus dem CDU-geführten Wirtschaftsministerium, Thomas Bareiß, geäußert.

Der „Energie- und Klimafonds“ wurde 2010 als Sondervermögen des Bundes eingerichtet. In ihn fließen die Einnahmen, die der Bund durch die Versteigerung der CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandel und demnächst auch im neuen deutschen Emissionshandel erzielt. Aus dem Topf werden vor allem Hilfen für Gebäudesanierung, erneuerbare Energie und Effizienz bezahlt, aber auch Ausgleichzahlungen für die Stilllegung von Kraftwerken sind möglich. Wegen der niedrigen Preise im Emissionshandel musste der EKF früher zusätzlich durch Steuermittel aufgefüllt werden. Inzwischen ist er prall gefüllt, weil die Zertifikate teurer geworden sind. 2020 stehen laut Finanzministerium 6,9 Milliarden Euro im EKF bereit.

1 Feb 2020

LINKS

[1] /Umbau-der-staatlichen-Energieforschung/!5651368
[2] /Foerderung-von-Elektromobilitaet/!5655777

AUTOREN

Bernhard Pötter

TAGS

Energiepolitik
Olaf Scholz
Kohleausstieg
Energiewende
Bundesministerium der Finanzen (BMF)
Wirtschaftsministerium
Klimageld
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Fridays For Future
Kohleausstieg
Energiewende
Schwerpunkt Fridays For Future

ARTIKEL ZUM THEMA

Kritik an Kohle-Gesetz: Verzögerung bei Ausstieg befürchtet

Kurz vor der Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes wächst die Kritik – auch weil der entscheidende Vertrag mit den Betreibern noch fehlt.

Peter Altmaier und die Energiewende: Wenig Zeit für Ökoverbände

Der Wirtschaftsminister hat sich 2019 nur vier Mal offiziell mit Umweltverbänden getroffen. Umso mehr Zeit verbrachte er mit der Energielobby.

Gesetz zum Kohleausstieg: Tempolimit für den Klimaschutz

Das Motto der deutschen Klimapolitik: Kommste heut nicht, kommste morgen. Dabei müsste vor allem gelten: Tempo!

Bundeskabinett beschließt Kohleausstieg: Der Nutzen fürs Klima ist unklar

Das Bundeskabinett bringt das Gesetz zum Kohleausstieg ins Parlament ein. Im Entwurf ist alles geregelt – nur nicht, wie viel CO2 eingespart wird.

Fridays for Future gegen Konzerne: Euer Haus, euer Auto, euer Boot

Der Protest gegen Siemens sorgte für Furore. Deshalb denken die Klimaschützer*innen darüber nach, verstärkt Unternehmen ins Visier zu nehmen.