taz.de -- Glyphosat-Behörde bestätigt Quelle: 24 Studien aus Fälscherlabor
Mehrere Untersuchungen über das Pestizid kommen laut Bundesinstitut von der Firma LPT. Diese hat offenbar Ergebnisse von Tierversuchen gefälscht.
Berlin taz | Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat eingeräumt, dass [1][24 Studien] für die Zulassung des Pestizids Glyphosat vom umstrittenen Tierversuchslabor LPT stammen. Die Behörde nannte am Dienstag auf ihrer Internetseite kurz nach Erscheinen eines [2][Artikels auf taz.de] diese Anzahl von Untersuchungen aus dem Labor, das Zeugen zufolge Ergebnisse gefälscht hat.
Die taz hatte mindestens 21 Studien im BfR-Gutachten über das Ackergift durch Quellenangaben eindeutig oder durch Nummernkennungen und Autorennamen wahrscheinlich dem LPT zugeordnet. Bei mehreren Untersuchungen hatte das Amt den Labornamen geschwärzt. Sein Gutachten war die wichtigste Vorarbeit für die Europäische Union, die Glyphosat 2017 für weitere 5 Jahre zugelassen hat. Derzeit prüft sie, ob sie das Mittel darüber hinaus erlauben soll.
Dem LPT und damit seinen Studien war von Behörden attestiert worden, die „Grundsätze der Guten Laborpraxis“ (GLP) einzuhalten, die Fälschungen verhindern sollen. Diese sehr teure Zertifizierung haben fast nur Untersuchungen, die von der Chemieindustrie selbst in Auftrag gegeben werden. Auch [3][Glyphosat], das meist genutzte Pestizid weltweit, haben die Behörden auf Grundlage solcher Studien zugelassen. Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation stufte das Mittel dagegen vor allem mit Hilfe industrieunabhängiger Untersuchungen als „wahrscheinlich krebserregend“ ein.
Eine Bitte der taz um Stellungnahme und nähere Angaben vom Donnerstagabend ließ die Bundesbehörde bis Redaktionsschluss am Dienstagnachmittag unbeantwortet – trotz telefonischer Nachfrage. Stattdessen stellte das BfR eine Pressemitteilung online, wenig Minuten nachdem der Artikel auf der Internetseite der taz erschienen war.
Grüne kritisieren Siegel für Labore
Bisher hatte diese Bundesbehörde Anfragen etwa der taz stets beantwortet. Das BfR ist besonders wegen seiner Rolle bei der Glyphosat-Zulassung unter Druck geraten. 2017 berichtete die taz, dass es mehrere Seiten seines Gutachtens über das Pestizid [4][von den Herstellern abgeschrieben] hatte.
Das BfR erklärte nun, „Fälschungen können grundsätzlich nicht völlig ausgeschlossen werden“ durch den GLP-Standard, mit „hohem Aufwand und krimineller Energie“ seien sie trotz der Zertifizierung möglich. Ob die Regeln eingehalten werden, müssten die Bundesländer überprüfen, nicht das BfR.
„Es ist inakzeptabel, dass eine Bundesbehörde wie das BfR eine Presseanfrage unbeantwortet lässt, obwohl sie einiges zur Sache zu sagen hat“, teilte der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Pestizid-Experte Harald Ebner am Mittwoch der taz mit. „Kriminelle Energie ist die Voraussetzung für Fälschungen, und auch den Aufwand würde man kaum scheuen, wie die bisher bekannten Fälle im LPT ja schon belegen. Wenn der GLP-Standard das nicht verhindern kann, was ist er dann überhaupt wert?“
Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker des österreichischen Umweltverbands Global 2000, sagte, es gebe „enormen Druck für Fälschungen, weil die Interessenkonflikte sehr groß sind und es für die Firmen um Milliarden geht“. Er ergänzte: „Da macht es sich das BfR viel zu leicht.“
Umweltschützer fordern, dass die Behörden künftig industrieunabhängige Studien stärker berücksichtigen – auch, wenn diesen das GLP-Siegel fehlt. Zudem verlangen sie, dass eine neutrale Stelle Untersuchungen für Pestizidzulassungen in Auftrag gibt.
12 Feb 2020
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