taz.de -- Kirche kritisiert US-Migrationspolitik: Krippe mit Käfigen
Eine Kirche erinnert die US-Regierung an christliche Werte. Doch nicht nur Trump gibt sich christlich, während er menschenverachtend handelt.
Die vielleicht berühmteste Erzählung einer Geburt geht so: Maria und Josef waren gerade auf dem Weg nach Bethlehem, als bei ihr die Wehen einsetzten. Weil alle Herbergen besetzt waren, wurde Jesus kurzerhand in einer Krippe im Stall von Bethlehem geboren, später tauchen dann auch noch Engel auf und Hirten kommen vorbei. So erzählt es zumindest die Bibel.
[1][Eine Kirchengemeinde] im Süden Kaliforniens hat diese weihnachtliche Erzählung nun an die politische Realität in den USA angepasst. Am Sonntag stellte die Claremont United Methodist Church eine Inszenierung der Geburt vor, bei der Maria und Josef nicht wie üblich um den neugeborenen Jesus stehen, sondern sich voneinander getrennt in Gitterkäfigen befinden.
Die Pfarrerin Karen Clark Ristine teilte ein Statement, in dem es heißt, Jesus, Maria und Josef seien „die berühmteste geflüchtete Familie auf der Welt“. Die Kirche fragt: „Was, wenn diese Familie heute Zuflucht suchen würde?“
Die Kirche kritisiert damit die [2][Trennungen von Familien], die in vergangenen Monaten an der Grenze zwischen der USA und Mexiko stattgefunden haben. Laut der Nichtregierungsorganisation ACLU sollen zwischen Juli 2017 und Oktober 2019 [3][bis zu 5.400 Kinder] nach dem Grenzübertritt von ihren Eltern getrennt worden sein. Es gibt Bilder, die Kinder zeigen, die getrennt von ihren Eltern auf dem Boden von käfigähnlichen Gitterräumen sitzen.
Man kann Kirche gut finden oder schlecht und biblischen Geschichten einen Wert beimessen oder nicht, in jedem Fall aber adressiert diese Gemeinde treffend die sich auf christliche Werte berufenden Regierungen, die [4][alles andere als christlich] agieren. Schließlich ist es ja nicht nur Donald Trump, der nach seiner Wahl den Amtseid auf der Bibel geschworen hat und dennoch Hass auf Minderheiten schürt und den [5][Klimawandel leugnet].
Auch Bolsonaro, der rechtsextreme brasilianische Präsident, zitiert munter Bibelverse, während er einen [6][Genozid] an der indigenen Bevölkerung zulässt. Und in Europa, wo die in Teilen aus christlich-konservativen Parteien bestehende Europäische Volkspartei die größte Fraktion im EU-Parlament stellt, lässt man fliehende Menschen einfach so [7][im Mittelmeer ertrinken]. An Weihnachten daran zu erinnern, ist wohl das Mindeste.
9 Dec 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Es ist schon fast Weihnachten und jedes Jahr stellt sich eine Frage drängender: Was anfangen mit diesem Fest? Geschenke, Ente, Baum? Schwierig 43–45
29 Mütter und Väter aus Zentralamerika, die vor einem Jahr von ihren Kindern getrennt und abgeschoben wurden, sind zurück in den USA.
Die Familientrennungen lösten einen Proteststurm aus. Nun wird bekannt, dass wohl weitaus mehr Kinder von ihren Eltern getrennt wurden als bisher bekannt.
Rechtspopulisten aller Länder leugnen den Klimawandel – je weiter rechts, desto entschlossener. Woran liegt das eigentlich?