taz.de -- Schwierigkeiten beim Wasserlassen: Murphy’s Gesetz

Die Intervalle des Urinierens folgen im Alter sonderbaren Gesetzmäßigkeiten. Über deren Wirken können polnische Klempner Auskunft geben.
Bild: Läuft mal mehr, mal weniger: das Urinal, Ort sonderbarer Naturgesetze

Es ist ein wunderschöner Spätsommer geworden. Nach Feierabend treffe ich mich mit meinem polnischen Urologen auf ein Bier am Landwehrkanal. Längst sind wir so etwas wie Freunde geworden. In vertrautem Flüsterton sprechen wir über meine Harnröhrenverkalkung. „Im Grunde bin ich ja Klempner“, sagt Zbigniew verschmitzt und deutet auf die Miniaturausgabe eines Gummipömpels, den er neben der Jungfrau Maria um den Hals trägt. Er verstellt lustig seine Stimme: „Hartes Wasser hat Ihre Harnröhre kaputtgemacht.“ Bei „hart“ und „Harn“ rollt er sehr schön das R.

Die Klempnergeschichte hat er mir schon oft erzählt: Urologe ist er erst in Deutschland geworden. In Polen gelten Urologen gemeinhin buchstäblich als Handlanger für verweichliche Westmenschen, die sich gerne an den Schwanz fassen lassen und Schnaps erst nach Einbruch der Dunkelheit aus einer Art Fingerhut nippen, sofern sie sich nicht ohnehin auf das Kindergetränk Bier beschränken. Entsprechend werden die „Pimmelzieher“ („fujarociądzy“) dort kaum geschätzt.

In Deutschland aber wurden damals Urologen gesucht wie verrückt. Man nahm auch Quereinsteiger, die als Spargelstecher gearbeitet hatten oder anderweitig Übung mit penisförmigen Gegenständen besaßen. Von den Landsleuten hörte Zbigniew, dass auch Klempner gern genommen wurden aufgrund ihrer Erfahrung mit Abwässern, undichten Stellen und Getröpfel aller Art. Nach einer zweijährigen Umschulung eröffnete er eine urologische Praxis in Tempelhof.

Auch heute hat er sein Lieblingsspielzeug mitgebracht. Wenn er das Ultraschallgerät anwirft, zaubert ihm das jedes Mal die gleiche Mischung aus jungenhafter Freude und höchster Konzentration in die Augen, wie bei einem Zehnjährigen, der den Motor seines Karts startet. Auf der Liegewiese am Urbankrankenhaus ziehe ich die Hose herunter. Die Leute gucken komisch, aber mit dem Einsetzen der Andropause wird einem ja eh alles egal, also auch das hier.

Alle Dämme brechen

Leider müssen wir die Untersuchung unterbrechen. Vielleicht liegt es am leichten Druck des Sonografen auf der Blase, eher aber wohl am vierten Bier, dass ich nun zum ersten Mal pinkeln muss. Ich schlage mich ins Gebüsch und dort mein Wasser ab.

Bis zum ersten Wasserlassen dauert es bei mir oft recht lange, doch wenn es erst mal losgeht, brechen alle Dämme. Dann muss ich nach jedem weiteren halben Bier – „Murphy’s Gesetz“, benannt nach einer bekannten irischen Brauerei. Allerdings mag das auch daran liegen, dass sich die Blase nie mehr komplett entleert.

Das ist auch das Erste, wonach sich Zbigniew nach meiner Rückkehr erkundigt. Und ob der Strahl schwach, geschraubt, mehrteilig oder unterbrochen gewesen sei? Ich verneine lieber.

26 Aug 2019

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Uli Hannemann

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