taz.de -- Beugehaftforderung für Kretschmann: Wer Recht bricht, muss büßen

Politik sollte nicht von der Justiz gemacht werden. Aber wenn eine Regierung sich nicht um Urteile schert, muss das Konsequenzen haben.
Bild: Scheren sich nicht um die Rechtssprechung: Ministerpräsident Kretschmann (r.) und sein Vize Strobl

Politik auf die juristische Ebene zu verlagern und RichterInnen darüber entscheiden zu lassen, ob das Handeln von MinisterInnen oder RegierungschefInnen geahndet werden muss, ist problematisch. Denn über das Tun und Lassen in der Politik sollten die WählerInnen urteilen, abgesehen von klar kriminellem Verhalten wie Korruption oder verfassungswidrigen Entscheidungen. Die Forderung nach Knast für PolitikerInnen ist allzu oft ein populistischer Impuls auf Entscheidungen, die einem oder einer nicht passen.

Auf den ersten Blick sieht [1][der Antrag der Deutschen Umwelthilfe] (DUH) auf Beugehaft für den grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und seinen Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) wegen der Luftverschmutzung in Stuttgart nach einer Verlagerung aus. Doch das Gegenteil ist der Fall. Hier geht es nicht um eine politische Weichenstellung, die man je nach Standpunkt richtig oder falsch finden kann.

Es geht um eine große und sehr wichtige Frage: Dürfen Landesregierungen rechtskräftige höchstrichterliche Urteile einfach ignorieren? Denn die grün-schwarze Regierung in Stuttgart [2][schert sich einfach nicht] um ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Luftreinhalteplan für Stuttgart um zonale Fahrverbote für Euro Diesel 5 ergänzt werden muss. Das ist ein starkes Stück. Denn es handelt sich keineswegs um eine Ermessensfrage. Es ist ein klarer Rechtsbruch.

Jede Urteilsverkündung für ein Fahrverbot, das die DUH erstreitet, ist eine Sternstunde des Rechtsstaats. Denn jede einzelne dieser Entscheidungen zeigt, dass BürgerInnen es nicht einfach hinnehmen müssen, wenn Verwaltungen und Regierungen sich aus Rücksicht auf die Autoindustrie oder anderen Gründen über Gesetze hinwegsetzen. Dass die baden-württembergische Landesregierung UmweltschützerInnen und RichterInnen einfach auflaufen lässt, untergräbt den Rechtsstaat. Das sollte in der Tat Konsequenzen haben.

8 Aug 2019

LINKS

[1] /Nicht-umgesetzte-Diesel-Fahrverbote/!5614049
[2] /Diesel-Fahrverbote-in-Stuttgart/!5591707

AUTOREN

Anja Krüger

TAGS

Deutsche Umwelthilfe
Winfried Kretschmann
Diesel
Stuttgart
Thomas Strobl
Diesel
Verkehr
Baden-Württemberg
Deutsche Umwelthilfe
DUH
DUH
Luftverschmutzung

ARTIKEL ZUM THEMA

Bußgelder wegen Dieselfahrverboten: Vor allem Beifang

Mehr als 15.000 Bußgelder wurden wegen der Diesel-Fahrverbote verhängt. Die Deutsche Umwelthilfe geht von einer hohen Dunkelziffer aus.

Stickoxid-Belastung ignoriert: Gericht verlangt Fahrverbote

Der Hamburger Senat hat nicht genug gegen die Luftverschmutzung getan, muss nun seinen Reinhalteplan nachbessern und zur Not Verbotszonen einrichten.

Kretschmann tritt wieder an: Zurück in die Zukunft

Winfried Kretschmann will 2021 wieder Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden. Seine Pläne für die dritte Amtszeit: Alles wie gehabt.

CDU-Abgeordneter will Förderung stoppen: Attacke auf Deutsche Umwelthilfe

Die DUH versucht, mit Beugehaftanträgen Fahrverbote durchzusetzen. Jetzt will CDU-Mann Pfeiffer dem Verband öffentliche Gelder streichen.

Nicht umgesetzte Diesel-Fahrverbote: DUH will Beugehaft für Kretschmann

Mit einem Antrag auf Gefängnis für Ministerpräsident Kretschmann will die Deutsche Umwelthilfe Fahrverbote für Euro-5-Diesel in Stuttgart durchsetzen.

Gerichtsurteil Deutsche Umwelthilfe: Marktüberwachung ist rechtmäßig

Der Bundesgerichtshof sagt: Die Öko-Kontrollen der Automobilwirtschaft durch die Deutsche Umwelthilfe sind rechtens. Ein Mercedes-Händler verliert.

Der Anwalt der Deutschen Umwelthilfe: Remo, der Klagewellenreiter

Als Anwalt vertritt Remo Klinger die Deutsche Umwelthilfe – etwa, wenn es um Fahrverbote geht. Doch er wechselt auch gerne die Seiten.