taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Warum nicht #WirAlleForFuture?
„Fridays for Future“ ist als Schülerbewegung bekannt. Dabei sollten wir alle streiken, von Lehrern hin zu Gepäckkontrolleuren.
Meine Frau seufzte, als sie die taz zur Hand nahm: „Oje, wieder schlechte Nachrichten vom Klima.“ Schuld war ihr Mann. Der hatte geschrieben, [1][wie die Arktis dahinschmilzt]. Und erst hinterher gesehen, dass die UNO in ihrem [2][Bericht] einen Fehler gemacht hatte: Sie hatte den schlimmsten Fall der Emissionen angenommen (was derzeit ziemlich realistisch ist), aber dann eine Erwärmung der Arktis von 5 bis 9 Grad vorhergesagt, selbst wenn das Pariser Abkommen eingehalten würde (was so nicht stimmt).
Korrekt wäre: Die Arktis schmilzt schnell. Aber wenn wir Paris einhalten, klettern am Nordpol die Temperaturen „nur“ um höchstens 5 Grad. So ist das mit den „guten Nachrichten“ im Treibhaus: Viel „WENN“ und ein großes ABER.
„Gute Nachricht“ vom Mittwoch: Deutschlands CO2-Emissionen sind 2018 um 4,5 Prozent gesunken. ABER: Gleichzeitig scheitert die Verkehrskommission, weltweit klettern die Emissionen auf einen neuen Rekord.
„Gute Nachricht“: Mittwochabend sitzen die CDU- und SPD-Chefinnen Annegret Kamp-Karrenbauer und Andrea Nahles auf einem Podium. AKK braucht nur handgestoppte 18 Minuten, bis sie sagt: „Wir haben das Klimathema zu lange aufgeschoben.“ Nahles sekundiert: „2019 wird ein Klimajahr.“ ABER: Sie führen die Parteien, die seit Jahrzehnten den Klimaschutz an die machtlosen Ökos outgesourct haben.
„Gute Nachricht“: Alle solidarisieren sich mit „Fridays for Future“, jetzt auch #EntrepreneursforFuture. Toll. ABER: Immer noch schicken wir unsere Kinder allein auf diesen Kreuzzug. Warum streiken nicht auch die LehrerInnen? Was ist mit den Bäckerinnen? Den Bademeistern, den Steuerfahnderinnen oder Zahnärzten? Ein politischer Streik wäre verboten und so heftig umstritten, wie es die Untätigkeit der Politik sein sollte. Wenn die Bänder bei VW und BMW am Freitag stillständen, machten #CarmakersforFuture klar, dass Andi Scheuer ihre Zukunft riskiert. An den Airports würde #GepäckkontrolleforFuture CO2 einsparen, wenn Flüge ausfielen. Und #SoldiersforFuture riefen, nun ja, zum Generalstreik fürs Klima.
Klimapolitik braucht Druck nicht nur von 14-Jährigen. Solange wir denken, das sei immer eine Sache der anderen, der #wer-auch-immerforFuture, so lange wird das nichts mit den guten Nachrichten. Also: Freitags stehen alle Räder still, weil der Klimaschutz es will.
Ich bin übrigens fein raus. Diese Kolumne schreibe ich am Donnerstag.
29 Mar 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Fridays for Future will nicht mehr Lob für ihren Aktivismus, sondern Taten. Es gibt konkrete Forderungen wie eine CO2-Steuer bis 2020.
Erstmals seit vier Jahren ist der CO2-Ausstoß in Deutschland deutlich gesunken – und zwar nicht nur wegen des milden Winters.
Bei Fridays For Future zeigt sich: Die jungen Leute können Englisch und sie kennen ihren Seneca. Sorgen wegen Unterrichtsausfalls sind unbegründet.
Die Initiatorin der Klimastreiks kommt zur bislang größten „FridaysForFuture“-Demo. Immer mehr Erwachsene gehen auch auf die Straße.
ProtestforscherInnen haben analysiert, wer für das Klima auf die Straße geht. Die Streikenden sind nicht nur SchülerInnen und überwiegend weiblich.
Hans-Peter Meidinger, der Chef des Lehrerverbandes, kritisierte die „Fridays For Future“-Demonstrationen in der taz. Jetzt antwortet ihm eine Schülerin.
In der Talkshow „Hart aber fair“ ist die Klimaaktivistin Luisa Neubauer die jüngste und vernünftigste Stimme. Die Generation 50+ wirkt ratlos.