taz.de -- Bauhaus sagt Feine Sahne Fischfilet ab: Verrat an der eigenen Sache
Die Dessauer Bauhaus-Stiftung sagt ein Konzert von Feine Sahne Fischfilet ab. Damit kapituliert sie vor rechten Drohungen.
Der Eklat um den Auftritt der Punkband Feine Sahne Fischfilet am Bauhaus Dessau wirft eine Standardfrage des Kunstverständnisses erneut auf. Soll sich Kunst als L’art pour l’art in ein „Heiligthum“ zurückziehen, wie es über dem Eingang zu den Alten Meistern in Dresden prangt, um der Vereinnahmung und Selbstbeschädigung zu entgehen? Oder verliert sie nicht gerade durch solche Indifferenz an Relevanz?
Am 6. November wollte das ZDF im Rahmen der seit 2011 laufenden Reihe „zdf@bauhaus“ ein Konzert der Band aus Mecklenburg-Vorpommern aufzeichnen. Die [1][Absage dieses Termins] durch Bauhausdirektorin Claudia Perren nach Drohungen von rechts illustriert aber, dass die versuchte Flucht in eine künstliche Neutralität erst recht zum Politikum gerät.
Erinnerungen an den [2][Luther-Hype anlässlich des Reformationsjubiläums] im Vorjahr lassen ohnehin befürchten, dass das für jeden Jubelaufhänger dankbare Bundesland Sachsen-Anhalt auch im Bauhaus-Jubiläum in erster Linie ein Event zur Imagepflege sieht.
Der Reformations-Bohei hat nicht etwa zu einer Re-Christianisierung geführt. Aber dem Bauhaus wäre schon zu wünschen, dass es über die Reflexion seiner Ursprungsintentionen zu einem Platz im Heute fände.
Bauhaus floh aus spießigem Weimar
Schon das von Walter Gropius verantwortete Manifest des Weimarer Bauhauses von 1919 betont die gesellschaftliche Relevanz der Kunst und des für ihre Ausübung erforderlichen Handwerks. Und schon bald sah das Bauhaus sich politisch-weltanschaulichen Attacken ausgesetzt.
Die Schikanen gegen das von der neuen bürgerlichen Mehrheit ungeliebte Bauhaus 1924, unter anderem in Haushaltsfragen, führten letztlich zur Flucht aus dem spießigen Weimar nach Dessau.
Mies van der Rohes Versuch einer betont unpolitischen Ausrichtung verhinderte die Schließung des Bauhauses durch den Dessauer Gemeinderat schon 1932 nicht. Verhindern konnte auch niemand, dass in Fortsetzung dieser NSDAP-Geschichte 2017 etwa 120 Neonazis gegen das Bauhaus demonstrierten.
Jetzt hatte die Neue Rechte einen Anlass, einen Shitstorm gegen Feine Sahne Fischfilet und das Bauhaus zu entfachen und Störungen anzudrohen. Unter anderem hatte die rechtsextreme Seite „Patriotisches Köthen“ dazu aufgerufen. Druck kam jedoch nicht nur von Nazis.
CDU in schöner Eintracht mit der AfD
In schöner Eintracht forderten auch CDU-Landesgeneralsekretär Sven Schulze und der Dessauer AfD-Bundestagsabgeordnete Andreas Mrosek eine Absage des Konzerts. „Es ist ein Skandal, dass ein von Zwangsabgaben finanzierter und zur Ausgewogenheit verpflichteter öffentlich-rechtlicher Sender einer linksextremistischen Band ein solches Forum bietet“, wird Mrosek zitiert.
Davor, vor möglichen Aufzügen vor und vor einer Hakenkreuzschmiererei am Haus kapitulierte nun Stiftungsdirektorin Claudia Perren offenbar. Es muss Spekulation bleiben, ob ihr renitenterer Vorgänger Philipp Oswalt, der 2014 nicht ganz freiwillig abgelöst wurde, auch so entschieden hätte.
Sachsen-Anhalts auch für Kultur zuständiger Staatskanzleichef und Vorsitzender des Bauhaus-Stiftungsrates Rainer Robra (CDU) versteckte sich wiederum hinter der Entscheidung der Direktorin. Aber auch er [3][sprach im MDR] von einer „linksextremen Band“ und äußerte Sicherheitsbedenken.
ZDF-Sprecher Peter Gruhne räumte zwar ein, dass Feine Sahne Fischfilet polarisierten, ordnet die Band aber „der vielfältigen deutschen Musikszene“ zu. Rund 100 Konzerte hat der Sender im Bauhaus schon aufgezeichnet. Nun sucht man eine Ausweichgelegenheit.
Rückzug in Neutralität scheint aussichtslos
Fatal findet das – neben Kritik von SPD und Linken – auch Gerhard Kämpfe, Intendant des Kurt-Weill-Fests Dessau. Er habe immer dann Angst, wenn Kultur sich ducken müsse, erklärte er im MDR-Kulturradio.
Aufschlussreich ist ein Blick in das Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm des Bauhauses im Vorfeld des Jubiläums. Das zeigt sich keineswegs unpolitisch. Eine große Sonderausstellung befasst sich mit der Weimarer Nationalversammlung von 1919.
Auch an die Schließung der emanzipierten „Hochschule für Gestaltung“ Ulm ausgerechnet im Revoltejahr 1968 wird erinnert. Der aktuelle Rückzug in einen Kunst-Raum politischer Neutralität erscheint damit umso aussichtsloser.
19 Oct 2018
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