taz.de -- Designerin über Wiederverwertung: „H&M kann man kaum upcyceln“

Kaum ein Konsumartikel ist schnelllebiger als die Klamotte. Junge Designer*innen arbeiten dagegen an, indem sie alte Kleidung wieder aufwerten.
Bild: „Seit den Nullerjahren ist die Stoffqualität ganz schrecklich geworden“, sagt Designerin Lisa Prantner

taz: Frau Prantner, wer kommt in Ihr Atelier?

Lisa Prantner: Ganz querbeet, alte Leute, junge, Männer, Frauen aus ganz Deutschland, zum Teil aus Europa.

Und die bringen Ihnen drei alte Hosen, die sie nicht mehr tragen, und sagen, machen Sie mir daraus eine neue Jacke?

Kommt vor. Das [1][Upcycling, also aus alten Sachen ganz neue zu entwerfen], das macht vielleicht 20 Prozent unseres Geschäfts aus. Viele bringen Lieblingsstücke ihrer Eltern oder Großeltern oder Erinnerungsstücke aus den 50er, 60er und 70er Jahren. Die wollen sie dann auf die heutige Zeit updaten lassen. Das lohnt sich auch, denn damals waren die Stoffqualitäten noch ganz andere als heute.

Inwiefern?

Seit den Nullerjahren ist die Stoffqualität ganz schrecklich geworden. Die Stoffe werden billigst in Asien oder Afrika gemacht, die halten einfach nicht mehr. Kleidung aus solchen Stoffen, von Primark oder H&M zum Beispiel, die kann man kaum upcyceln, aus der kann man nichts Neues nähen, weil die Stoffe reißen. Die können wir höchstens in Workshops mit Schülern bedrucken. [2][Wenn ich eine Upcycling-Kollektion mache], dann kaufe ich alte Pullis oder Herrenhosen in Secondhandshops, die sind besser.

Sind die Kunden aber auch bereit, reparierte oder aus alten Sachen geschneiderte neue Textilien angemessen zu bezahlen?

Na ja, die ganze Beratungszeit wird nie bezahlt. Dafür gibt keiner Geld. Wir sind teuer, aber eigentlich noch immer zu billig.

Sie haben Ihr Atelier von der Bewegung [3][Gemeinwohlökonomie] editieren lassen. Was bringt Ihnen das?

Es bringt mir selbst etwas und meinen Mitarbeitern auch, es verleiht unserem Tun Sinn. Ich bin jetzt motiviert, mehr zu verdienen, damit ich höhere Löhne zahlen kann. Meine Angestellten verdienen ja sehr wenig. Und ich will genauer sein in meiner Lieferkette, meinen Stoffen, meinen Garnen. Ich will mich vernetzen, Kraft sammeln, andere von der Idee zu überzeugen. Außerdem haben wir als Gemeinwohlunternehmen vernetzt politisch mehr Schlagkraft.

Welche politische Forderung treibt Sie denn derzeit am meisten um?

Zum Beispiel ist es ein Skandal, dass Reparaturwerkstätten in Deutschland 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen müssen. Würde der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent gelten, würde das den Werkstätten enorm helfen, viel mehr Leute würden Secondhand kaufen. Dann wäre es es nicht mehr viel teurer, etwas reparieren zu lassen, als es neu zu kaufen. Das wäre für die Regierung eine einfache Maßnahme. Sie redet doch immer über Kreislaufwirtschaft, ich verstehe nicht, dass sie das nicht umsetzt.

9 Jul 2018

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AUTOREN

Heike Holdinghausen

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