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Wann gilt man in Deutschland als erwachsen? Das wurde in den vergangenen 150 Jahren verschieden definiert

Von David Gutensohn

Versteckt auf Seite 71 des Deutschen Reichsgesetzblatts, verkündete der Kaiser eine Sensation: „Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen, verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt: Das Alter der Großjährigkeit beginnt im ganzen Umfange des Deutschen Reichs mit dem vollendeten einundzwanzigsten Lebensjahre.“ Es war der 17. Februar 1875, an dem mit diesen Worten erstmals ein einheitliches Alter für die gesetzliche Volljährigkeit in Deutschland festgelegt wurde.

Bis dahin galt ein wildes Durcheinander – in Baden wurde man mit 21 Jahren volljährig , in Hamburg mit 22 und in Oldenburg mit 24 Jahren. In den meisten anderen Regionen galt 25 als Volljährigkeitsalter. Das 1875 verabschiedete „Gesetz betreffend das Alter der Großjährigkeit“ beendete den Wirrwarr. Es sollte bis zum 1. Januar 1900 oberste Richtlinie bleiben. Seitdem übernimmt Paragraf 2 des damals geschaffenen Bürgerlichen Gesetzbuchs diese Funktion.

Bis in die Zeit der Bundesrepublik hinein sollte das Volljährigkeitsalter bei 21 Jahren liegen – bis es der Gesetzgeber am 31. Juli 1974 im BGB auf 18 Jahre senkte. Damit entsprach die sozialliberale Koalition dem Wunsch der Studentenbewegung, die in den sechziger Jahren für mehr Mitbestimmung auf die Straße gegangen war und an den Universitäten mit demokratischen Partizipationsformen experimentierte. Das Wahlmindestalter wurde bereits vier Jahre zuvor auf 18 heruntergesetzt.

Mit 18 sollte man von nun an voll geschäftsfähig werden, ein eigenes Vermögen verwalten und seinen Wohnort frei bestimmen dürfen. Auch die Freiheit, Verträge zu schließen und eine Ausbildung nach eigener Wahl zu beginnen, gehörte dazu. Außerdem durfte man hochprozentigen Alkohol kaufen und jugendgefährdende Schriften konsumieren.

Selbst die kritischen Konservativen aus CDU und CSU hatten den Gesetzesänderungen zugestimmt. Zu sehr fürchteten sie die geburtenstarken Jahrgänge der fünfziger Jahre. Auf einen Schlag wurden damit am 1. Januar 1975 2,5 Millionen Westdeutsche gemeinsam volljährig. Ein Vierteljahrhundert zuvor hatte die DDR bereits das Volljährigkeitsalter auf 18 festgesetzt.

Ist das nun das Ende der Geschichte? Immerhin wurde das Mindestalter für Wahlen in einigen Bundesländern weiter herabgesetzt. Vorreiter war dabei Niedersachsen, das 1996 als erstes Bundesland das Mindestalter für die Teilnahme an Kommunalwahlen auf 16 senkte. Dem Beispiel folgten bis heute elf weitere Landesregierungen. In Bremen, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein ist das Wählen mit 16 sogar auf Landesebene möglich.

Seit 2010 ist 17-Jährigen auch das begleitende Autofahren bundesweit erlaubt. Wieder einmal hatte dabei ein niedersächsisches Pilotprojekt den Bund überzeugt. Die Altersgrenze der Volljährigkeit blieb jedoch seit 1974 unangetastet. Vielleicht fehlt bisher noch die passende Initiative aus Hannover, Braunschweig oder Oldenburg.

30 Dec 2017

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David Gutensohn

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