taz.de -- Fehmarnbelt-Querung in der Ostsee: Tunnel-Gegner abgehängt

Der Termin für das Anhörungsverfahren zur Planfeststellung in der Sommersaison verärgert die Gegner des Projekts, denn fast alle leben vom Tourismus.
Bild: Soll unter hohem Zeitdruck durchgepeitscht werden: der Tunnel zwischen Dänemark und Deutschland

HAMBURG taz | Karin Neumann ist aufgebracht. „Offenbar sollen wir unser Geschäft aufgeben oder die Hälfte des Jahresurlaubs nehmen – und das mitten in der Hochsaison“, sagt die Sprecherin der Initiative „Beltretter“. Offenbar wollten die schleswig-holsteinische Landesregierung und die Planer des Belt-Tunnels „das Bild entstehen lassen, der Widerstand gegen das Mammut-Projekt sei gar nicht so groß“. Denn die Anhörungen der Einwendungen gegen den geplanten Tunnel zwischen Dänemark und Deutschland (siehe Kasten) sollen vom 27. Juni bis zum 27. Juli in der Kulturwerft Gollan in Lübeck stattfinden.

Ort und Terminierung will der zuständige Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr, eine Abteilung des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums, am heutigen Montag zur Veröffentlichung im schleswig-holsteinischen Amtsblatt freigeben. In der Bekanntmachung, welche der taz vorab vorliegt, werden 15 Erörterungstermine festgelegt – fünf Wochen lang jeweils Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Für Karin Neumann ist die Taktik klar: „Die Behörden wollen sich vor Ort mit möglichst wenigen Menschen auseinandersetzen.“

Gegen die Pläne für eine Tunnelquerung zwischen Fehmarn und der dänischen Insel Lolland wurden im vorigen Jahr 12.600 Einwendungen von Anwohnern und Betroffenen eingereicht, 140.000 Menschen protestierten in einer Online-Petition gegen das Vorhaben. Ende April legte die dänische Realisierungsgesellschaft Femern A/S ihre Antworten auf die Einwendungen dem Landesbetrieb vor, der sie nun prüft und zur öffentlichen Erörterung vorbereitet. Die allermeisten Einwendungen stammen von BürgerInnen von Fehmarn und der Lübecker Bucht – und von ihnen arbeiten im Sommer fast alle im Tourismus: Selbstständige Pensionsinhaber, Privatvermieter, Gastronomen oder Strandkorbvermieter können es sich aber nicht leisten, 15 Tage in Lübeck an den Anhörungen teilzunehmen, Angestellte werden dafür keinen Urlaub nehmen dürfen. „Wir sollen mundtot gemacht werden“, vermutet Neumann.

Das Wirtschaftsministerium bestätigt auf taz-Anfrage die Terminierung. Der Zeitplan habe keine andere Möglichkeit zugelassen. Auch gebe es auf Fehmarn und im betroffenen Landkreis Ostholstein keine geeignete Halle. „Deshalb müssen wir in den Süden der Region nach Lübeck ausweichen“, sagt Ministeriumssprecher Harald Haase.

„Sportlich“ nennt Rüdiger Nebelsieck den Zeitplan. Der Anwalt der Umweltverbände BUND und Nabu, der im Februar vor dem Bundesverwaltungsgericht den Stopp der Elbvertiefung erreicht hatte, hat am Freitag mehrere Ordner mit Unterlagen von der Kieler Behörde erhalten. Nach erster Durchsicht enthielten sie „zum Teil defizitäre Antworten“, sagt Nebelsieck.

Im Elbeverfahren hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, die Wasserrahmenrichtlinie der EU enthalte ein „Verbesserungsgebot“: Ein menschlicher Eingriff in ein Gewässer müsse dieses ökologisch sauberer machen, sonst sei er nicht genehmigungsfähig. Das stoppte die geplante Elbvertiefung, das könnte auch den Tunnel im Fehmarnbelt stoppen.

Für den Absenktunnel soll ein 17,6 Kilometer langer Graben in den Meeresgrund gebaggert werden, der Aushub wird mit rund 30 Millionen Kubikmetern angegeben. Nach dem Versenken der 40 Meter breiten und 15 Meter hohen Tunnelelemente wird er wieder zugeschüttet – Femern A/S hingegen spricht von „akzeptablen und vorübergehenden Umweltauswirkungen“.

„Großer Zeitdruck erhöht nicht unbedingt die Qualität der Planung“, warnt Bettina Hagedorn, SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem betroffenen Kreis Ostholstein. „Aber es erhöht das Prozessrisiko vor dem Bundesverwaltungsgericht“, ergänzt Anwalt Nebelsieck. Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) hingegen hält an seinem Zeitplan fest, im Sommer nächsten Jahres einen Planfeststellungsbeschluss zu haben.

Und dann beginnen die jahrelangen Verfahren vor den Gerichten.

8 May 2017

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Sven-Michael Veit

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