taz.de -- „Tatort“ aus Köln: Mobben, bis die Funken stieben
Der Kölner Tatort zum Karneval ist so vorhersehbar wie ermüdend. Ein Klischee folgt dem anderen und die Story geht unterwegs verloren.
Als ob es nicht reichte, dass die Öffentlich-Rechtlichen ab Rosenmontag bis tief in die Dritten eine Woche lang gekapert sind von Helau und Alaaf, sendet die ARD schon am Sonntag einen Kölner Tatort mit hopsenden Funkenmariechen, Büttenredenproben und dem ganzen anderen ermüdenden Kram.
Ermüdend auch, weil Drehbuchautor Jürgen Werner und Regisseur Thomas Jauch (seit dem Münster-Tatort „Ein Fuß kommt selten allein“ wohl auf Tanzfilme spezialisiert) in „Tanzmariechen“ ein Klischee nach dem anderen durch die Luft wirbeln. Und so ist der Mikrokosmos, in dem die Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) den Mord an der Trainerin aufklären wollen, eben das: Die Mädchen der Truppe sind hysterische Zicken, die sich mit Tabletten aufputschen und bis nachts kurz vorm Kollaps trainieren, die sich mobben, dass die Funken stieben, und sich eine in den Suizid stürzt.
Und natürlich (natürlich!) gibt es Knick-Knack zwischen diesen feschen Teenies und dem runtergerockten 60-jährigen Vereinspräsidenten Kowatsch (Herbert Knaup, ein Lichtblick) im sackigen Anzug.
Ja, die Truppe der „Fidelen Sandhasen“ haben akrobatisch was drauf und, ja, ja, Karneval als Ausnahmezustand vom Alltäglichen hat viel Befreiendes – geschenkt. Aber wieso, bitte, können zwei Männer auf die Idee kommen, derart enervierende Frauenstereotype im Öffentlich-Rechtlichen (Proporz! Bildungsauftrag!) weiter zu zementieren, ohne dass von Redaktionsseite mal jemand sagt: Halt, stopp, bitte was ist die Story!?
Und nein, es reicht nicht, dass Schenks Enkelin keinen Bock hat, sich als Prinzessin zu verkleiden, sondern lieber Zombie sein möchte. Es reicht ja offenbar auch nicht, dass die Karnevalistensendung „Wider den tierischen Ernst“ zwei Wochen vor Rosenmontag mal wieder kaum einer sehen wollte. In der ARD, zur Primetime.
19 Feb 2017
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