taz.de -- Kommentar zur US-Wahl: Für doof erklären hilft nicht weiter

Der Erfolg von Donald Trump hat die gleiche Grundlage wie der Erfolg der AfD in Berlin. Ein Kommentar.
Bild: Der Tag nach der US-Wahl. Die Medien glaubten bis zum Schluss nicht an einen Präsidenten Trump

Jetzt ist im politisch-intellektuellen Milieu wieder zu hören, wie doof die Leute doch seien, so einen Mann zu wählen. Genau das aber ist es, was hinter dem Wahlerfolg von Donald Trump steht: Ein völliges Unverständnis, eine Kluft zwischen Politprofis, Journalisten und Kulturschaffenden einerseits und denen, die sich von dieser Gruppe nicht (mehr) vertreten fühlen.

Trumps Sieg sei eine atemberaubende Ablehnung der politischen Klasse, analysierte der US-Fernsehsender CNN völlig zu Recht. Die traurige Parallele ist, dass genau das in Berlin (noch) in kleinerer Form für die AfD und ihren Aufstieg gilt.

Kaum eineinhalb Jahre ist es her, dass führende US-Medien von einem weiteren Duell der Polit-Dynastien Bush und Clinton ausgingen. Dass Jeb Bush chancenlos ganz früh aufgeben und Clinton gegen einen Trump verlieren würde? Unvorstellbar. In Berlin war das kaum anders. Dass es einen Nährboden gibt, auf dem die Mitte 2015 noch bei 4 bis 5 Prozent dümpelnde AfD bei der Abgeordnetenhauswahl auf über 14 Prozent wachsen sollte? Doch nicht in der liberalen Hauptstadt.

Früher hatte vor allem die SPD in fast jedem Wohnblock, in jedem Betrieb, einen Gewährsmann, der mitbekam, wie der Wind wehte. Heute prägen Akademiker die frühere Arbeiterpartei. Regierungschef Michael Müller als gelernter Drucker ist da die Ausnahme. SPD-Leute räumten selbst ein, dass sie zu manchen Gruppen keinen Zugang mehr haben. In den Medien kommen Marzahn oder Spandau nicht bloß in der taz meistens nur dann vor, wenn es um Nazi-Demos oder Flüchtlingsheime geht.

Man kann Wähler von Trump und AfD als dumm oder als Rassisten abstempeln – aber das hilft höchstens zum Wutablassen. Es sind zwar erst 14 Prozent, die jüngst AfD gewählt haben. Aber wer verhindern will, dass daraus mehr wird, sollte sich ihre Geschichten anhören. Zuhören heißt nicht anbiedern. Aber es ist zwingende Grundlage, um eine fatale Kluft zumindest wieder zu verengen.

9 Nov 2016

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Stefan Alberti

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