taz.de -- Kolumne Immer bereit: Nie wieder weggucken

Berlin ist überall, selbst in der schwedischen Provinz.
Bild: Das ist doch ein… Elch!

Wir waren im Urlaub. In Schweden. Das war schön. Wir wohnten mit unseren Lieblingsschweden Sabina, Anton, Minna und Alfred in einem Dorf namens Glemmingebro, was so viel heißt wie vergessene Brücke und auch genau so aussah. Hinterm Haus erhoben sich Hügel, die waren so grün, dass man nie wieder weggucken wollte. Auf den Hügeln standen Schafe wie Zuckerstreusel auf riesigen grünen Zimtschnecken. Was das mit Berlin zu tun hat, wollen Sie wissen? Nur Geduld, kommt noch!

Es war wie Urlaub in Bullerbü. Sabina und Anton kennen wir schon fast zehn Jahre, aber Minna erst fünf und Alfred erst drei, denn sie sind die Kinder von Sabina und Anton und noch nicht länger auf der Welt. Minna hat dickes strohblondes Haar und redet die ganze Zeit. Alfred ist eher der schweigsame Typ. Er lacht viel, isst viel und hat rote Locken, die ihm überall vom Kopf abstehen. Er tut fast alles, was seine Schwester sagt, und ich glaube, er ist der glücklichste Mensch auf Erden.

Glemmingebro liegt in der Nähe von Ystad. Das ist das Städtchen, in dem Mankells Kommissar Wallander den Abschaum der schwedischen Gesellschaft jagte. Bunte Fachwerkhäuschen, Blumenstauden wachsen im Rinnstein. Die Stadt hat zwei große Fährverbindungen, aber nur einen Systembolaget. So heißen die staatlichen Alkoholverkaufsstellen, wo man erst einkaufen darf, wenn man zwanzig ist. Einmal waren Sabina und ich dort, und ich wollte mit meiner Kreditkarte bezahlen. Das war aufregend. Wir hatten Bier und Wein in ausreichender Menge eingesammelt und auf dem Band an der Kasse aufgereiht, die Kassiererin hatte alles über den Pieper gezogen. „Har du et ID-kort?“, fragte sie mich. Ich dachte, sie wolle die Geheimnummer für meine Kreditkarte wissen, und schüttelte den Kopf, denn die Nummer wusste ich nicht. Sabina und die Verkäuferin sahen sich an und sagten beide :„Oh.“ In der Warteschlange hinter mir mitleidiges Gemurmel.

Sabina wand sich mir zu und fragte mich auf Deutsch: „Hast du keinen Ausweis bei?“

Jetzt verstand ich: „Ach, ID!“

Die ganze Schlange hinter uns schien aufzuatmen.

„Was war denn los?“, fragte ich, als wir draußen waren.

„Na ja“, sagte Sabina. „Um Alkohol zu kaufen, musst du mindestens 20 sein. Wenn sie denken, du könntest auch nur 25 sein, fragen sie nach dem Ausweis. Und wenn du den dann nicht vorzeigen kannst, verkaufen sie dir nichts. Das Problem ist, dass auch ich dann nichts mehr hätte kaufen können, weil sie gesehen haben, dass wir zusammengehören. Und es ist verboten, im Systembolaget für jemand anderen zu bezahlen.“

„Oh Gott!“, hauchte ich.

„Ja!“, rief Sabina. „Und das um kurz vor sechs. Die Männer hätten es nicht mehr geschafft, einzukaufen, und wir hätten heute nirgendwo mehr Alkohol kaufen können.“ Ein oder zwei Vorteile hatte es also doch, nicht in Schweden zu wohnen.

Was den Berlinbezug angeht: Es gibt in Ystad ein kleines Museum, das heißt Charlotte Berlin Museum, da waren wir drin. Es ist die original erhaltene Bürgerwohnung einer reichen alten Dame aus dem 19. Jahrhundert, deren Ururgroßvater, ein Berliner Rabbi, im 17. Jahrhundert nach Ystad ausgewandert war, dort zum Christentum konvertierte und den Namen Berlin annahm. Das Museum erinnerte mich gleich an das Panke-Museum in der Heynstraße in Pankow, wo man die ebenfalls fast vollständig erhaltene Bürgerwohnung des Stuhlrohrfabrikanten Fritz Heyn aus derselben Zeit bewundern kann. Da sollten Sie mal hingehen!

14 Aug 2016

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