taz.de -- BKA zu Handgranatenangriff: Erstmals Einsatz von Sprengstoff

Der Fall in Villingen-Schwenningen steht für eine neue Qualität: Laut BKA ist es der erste Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft mit einer Kriegswaffe.
Bild: Kriminalbeamte bei der Spurensicherung am Tatort.

Wiesbaden dpa/epd | Der Angriff auf das Flüchtlingsheim im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen ist bundesweit der erste Fall, bei dem Sprengstoff zum Einsatz kam. „Bis jetzt hatten wir zwar mehrere Fälle, in denen Pyrotechnik verwendet wurde“, sagte eine Sprecherin des Bundeskriminalamts (BKA) am Freitag in Wiesbaden. „Dass nun eine Kriegswaffe zum Einsatz gegen eine Flüchtlingsunterkunft kam, ist neu.“

Das BKA sei in dem Fall bislang nicht tätig, dazu müsste es erst von der zuständigen Staatsanwaltschaft beauftragt werden, erklärte die Sprecherin. Es finde jedoch eine fachliche Zusammenarbeit mit den Ermittlern vor Ort statt. Die BKA-Sprecherin warnte davor, die Lage vorschnell zu bewerten: „Eine seriöse Einschätzung kann erst erfolgen, wenn alle Umstände berücksichtigt wurden.“

Derweil untersuchen die Ermittler, ob die Kriegswaffe einen Zünder hatte und damit tatsächlich scharf war. „Es steht fest, dass sie mit Sprengstoff gefüllt war“, sagte Johannes-Georg Roth, Leiter der Staatsanwaltschaft Konstanz, auf einer Pressekonferenz. „Ob ein Zünder verbaut war, ist bisher nicht bekannt. Das ist die entscheidende Weichenstellung.“

Der Experte des Landeskriminalamtes, Andreas Stenger, erklärte, von einer scharfen Granate könne nur gesprochen werden, wenn sowohl Sprengstoff als auch Zünder vorhanden seien. Aus Polizeikreisen hatte es zunächst geheißen, die Handgranate sei scharf gewesen.

Die Handgranate war in der Nacht zum Freitag über einen Zaun auf das Gelände der Erstaufnahmestelle im Schwarzwald-Baar-Kreis geworfen worden. Der Sicherheitssplint war gezogen, die mit Sprengstoff gefüllte Granate explodierte jedoch nicht. Sie wurde von Entschärfern des Landeskriminalamtes kontrolliert gesprengt. Menschen kamen nicht zu Schaden.

Soko mit 75 Beamten

Die Polizei hat eine Sonderkommission eingerichtet. In der „Soko Container“ ermittelten 75 Beamte, um die Hintergründe der Tat aufzuklären, sagte Dietmar Schönherr, Leiter der Kriminaldirektion Rottweil, am Freitag in Villingen.

Soko-Chef Rolf Straub äußerte sich zurückhaltend zum Stand der Ermittlungen. Es werde geprüft, ob es sich um eine fremdenfeindliche Tat handele. Aber auch andere Möglichkeiten würden in Betracht gezogen. Befragungen in der Nachbarschaft hätten einige Hinweise erbracht, aber sie seien zu unkonkret, „um auf bestimmte Personen zuzugehen“.

29 Jan 2016

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