taz.de -- Neuer Tatort aus Berlin: Vom Versuch anzukommen

Der zweite „Tatort“ aus Berlin mit dem Ermittlerduo Rubin/Karow überzeugt dank viel Spannung und einem realistischen Fall.
Bild: In ihrem zweiten Fall gerät ein papierloser Flüchtling unter Mordverdacht: die Berliner „Tatort“-Ermittler Rubin (Meret Becker) und Karow (Mark Waschke).

„Immer verstecken, immer Angst!“ Eigentlich will Layla Merizadi (Elmira Rafizadeh) nur ein normales Leben führen. Doch die Familie aus dem Iran lebt ohne Papiere in Berlin. Trotz der Umstände sind die drei Flüchtlinge gut integriert: der Sohn besucht das Gymnasium, Laylas Ehemann Saed arbeitet als Zahntechniker. Ein Schicksal, wie es durchaus vorkommt in der Stadt.

Dann kommt die Polizei ins Spiel, dies ist der zweite Fall des neuen Berliner Tatortduos Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke): Saeds Bruder wird tot aufgefunden. Schnell rückt die Familie in den Fokus der Ermittlungen. Und während es die (schwangere) Mutter und ihr Sohn schaffen, unterzutauchen, wird Saed festgenommen. Die Jagd der Polizei nach dem Sohn beginnt; der Traum, sich in Berlin heimisch zu fühlen, droht endgültig zu platzen.

In einem ähnlichen Zustand befindet sich auch das Ermittlerduo: Die beiden misstrauen einander, Karows Vorgeschichte liegt weiter im Dunkeln und belastet die berufliche Beziehung. Rubin vermutet einen Verbindung zwischen ihm und dem Mord an seinem früheren Kollegen. Regisseurs Dror Zahavi verknüpft klug mehrere Handlungsbögen miteinander: Rasante Schnitte und interessantes Storytelling passen zur Dramatik, vor allem im Schlussakt.

Die Stadt, die im ersten Fall der beiden noch die Hauptrolle spielte, rückt nun in den Hintergrund. Die Szenerie beschränkte sich auf Platten- und Kreuzberger Altbauten, die Touristenattraktionen sind nicht gefragt. Es geht um die Menschen, gerade auch jene, die gezwungen sind, ein Doppelleben zu führen.

Der zweite Berliner Tatort mit neuer Besetzung übertrifft den ersten noch in puncto Spannung. Und insbesondere Nina Rubin kommt mit ihrer schnodderigen Art als Berliner Charakter sympathisch rüber. Doch die Polizei und die Flüchtlinge, das ist ein schwieriges Verhältnis. Und am Ende ist natürlich keiner der Gewinner. So ist das.

Tatort „Ätzend“, Sonntag, 15. November, 20.15 Uhr, ARD

14 Nov 2015

AUTOREN

Nadim Chahrour

TAGS

Tatort
Flüchtlinge
Meret Becker
Tatort
Harald Schmidt
Tatort
Tatort
Tatort

ARTIKEL ZUM THEMA

„Tatort“ aus Berlin und Juden im Film: Typisch jüdisch, oder?

Deutsche Filme stellen jüdisches Leben meist klischeehaft dar. Der Berliner „Tatort“ mit seiner ersten jüdischen Kommissarin macht es besser.

„Tatort“-Auftritt von Harald Schmidt: Dirty Harry im Schwarzwald-Einsatz

Harald Schmidt wird demnächst Kriminaloberrat im SWR-„Tatort“. Als Gernot Schöllhammer ist er Chef eines neuen Ermittlerteams in Freiburg.

SWR-„Tatort“ mit Richy Müller: Stuttgart kann sehr kalt sein

Eine Leiche im Müll, blanke Nerven und persönliche Verwicklungen. Es geht rau zu in Baden-Württembergs Landeshauptstadt.

Doppelfolge „Polizeiruf“: Der bessere „Tatort“

Erstmals lässt die ARD zwei „Polizeiruf“-Teams zusammen ermitteln. Die Krimireihe tritt endgültig aus dem Schatten des großen Bruders.

Forderung von Tatort-Schauspielern: Zeit für homosexuelle Kommissare

Im Münsteraner Tatort mimten Boerne und Thiel ein schwules Pärchen. Nun fordern sie mehr „echte“ lesbische oder schwule ErmittlerInnen.