taz.de -- Koze-Nebengebäude zerstört: Abriss unter Polizeischutz

Die Gebäude um das Kollektive Zentrum werden trotz Protests abgerissen. Dort sollen Winterunterkünfte für Obdachlose entstehen.
Bild: Besuch zur Morgenstunde: Einsatzpolizei vor dem Kollektiven Zentrum.

In den frühen Morgenstunden ist am Mittwoch ein Großaufgebot der Polizei vor dem Gebäude des „Kollektiven Zentrums (Koze)“ angerückt. Die angrenzende Norderstraße wurde für mehrere Stunden von der Polizei gesperrt. Hintergrund waren nach Angaben der Polizei Abrissarbeiten im Hinterhof sowie an dem angrenzenden Gebäude, der ehemaligen Gehörlosenschule. Stundenlang kreiste ein Polizeihubschrauber über dem Gebiet, auch ein Wasserwerfer war vor Ort. Das Koze selbst war nicht betroffen.

„Es hat ein überfallartiges Eindringen vonseiten der Polizei gegeben“, sagte ein Sprecher des Koze, Timon Hesse. Dabei hätten die PolizistInnen sich unter Anwendung von Gewalt, Pfefferspray und Faustschlägen Zutritt zum Hinterhof verschafft. Über die bevorstehenden Arbeiten sei das Zentrum nicht informiert worden. Das Koze hat den Hinterhof laut Hesse angemietet – doch der dortige Spielplatz und der Fußballplatz wurden im Zuge der Abrissarbeiten zerstört. Über den Hinterhof erstreckt sich nun ein Bauzaun, der das Grundstück des Koze weiter einschränkt.

Die Sozialbehörde versicherte, nur hehre Absichten zu haben. Auf dem Grundstück sollten für das im November startende Winternotprogramm Wohncontainer mit 400 Schlafplätzen für Obdachlose aufgestellt werden. Weitere 350 sollen in einem leer stehenden Bürogebäude am Schaarsteinweg in der Neustadt entstehen.

Darüber hinaus böten unter anderem Kirchengemeinden in Eigenregie rund 100 Plätze an. „Damit können wir wieder den Erfrierungsschutz bieten, wie es ihn auch im vergangenen Winter gab“, sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). Flüchtlinge müssten deshalb nicht umziehen.

„Es ist hirnrissig, dass funktionsfähige Gebäude abgerissen werden, um provisorische Container als Unterkünfte aufzustellen“, sagt Timon Hesse vom Kollektiven Zentrum. Es sei perfide, dass AktivistInnen des Koze und Obdachlose gegeneinander ausgespielt würden. Gerade im Münzviertel gebe es große Solidarität mit Wohnungslosen.

Das sei eine „unnötige Zuspitzung und schlecht kommuniziert“, befand die grüne Innenpolitikerin Antje Möller, die sich vor Ort umsah. Das Koze hätte zuvor informiert werden müssen, die BewohnerInnen seien ungewiss zurückgelassen worden. Ähnlich äußerte sich auch Christiane Schneider von der Linken: „Es ist eine außerordentlich konfrontative Situation durch die Polizei und die zuständige Finanzbehörde geschaffen worden.“ Die Politik verweigere das Gespräch und das sei „undemokratisch“.

Aus diesem Grund hatte Die Linke einen Tagesordnungspunkt mit dem Titel „Demokratie wagen! Mit dem Kollektiven Zentrum sprechen!“ für die Aktuelle Stunde der Bürgerschaft am Mittwoch eingebracht. Trotz der Geschehnisse ist dieser Punkt jedoch auf Donnerstag vertagt worden.

2 Sep 2015

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Fabio Kalla
Sven-Michael Veit

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