taz.de -- Kolumne zum Weltkatzentag: Das Mustertier des Müßiggangs

Katzen führen keine To-do-Listen. Sie sind Heldinnen im Kampf gegen die protestantische Arbeitsethik. Allein deswegen müssen wir sie verehren.
Bild: Wer sieben Leben lebt, braucht die siebenfache Menge Schlaf.

(Viele wollen diesen Text zum Weltkatzentag 2015 am diesjährigen Weltkatzentag unbedingt erneut lesen. Deswegen haben wir ihn mal aus dem Archiv geholt.)

Wie viele Leben hat eine Katze? Sieben, sagt man in Deutschland. Neun gar, heißt es im englischen Sprachraum. Diese Sieben-Neun-Inkonsistenz kommt auch an anderer Stelle vor, beim siebten Himmel etwa, der auf englisch die Cloud Number Nine ist. Einen fairen Kompromiss hat man beim Weltkatzentag gefunden, der jährlich am 8. August gefeiert wird. Und weil die Quersumme von 2015 ebenfalls acht ist, begehen wir den höchsten Feiertag der Erde dieses Jahr am 8.8.8 – die Nummer eines verdammt flauschigen Biests.

Wie auch in den vergangenen Jahren ist das angemessene Verhalten am Weltkatzentag, jeder Katze, die man auf der Straße trifft, freundlich guten Tag zu sagen und ihr ein Stück frischen Lachs anzubieten, das man zu diesem Zweck in der Handtasche mit sich führen sollte. Wünscht die Katze zu spielen, sollte man sich eine Viertelstunde dafür Zeit nehmen. Auf helle Kleidung ist im eigenen Interesse zu verzichten. Hunde haben an diesem Tag Ausgangssperre, außer zwischen 14 und 14.30 Uhr, dann halten die Katzen gerade ihren dritten Mittagsschlaf.

Noch eine Zahlenfrage: Wie viele Katzen braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln. Antwort: Eine. Diese wird sich im Angesicht der kaputten Lampe zunächst ausgiebig putzen, dann einen Liegeplatz suchen, sich dort dreimal um sich selbst drehen und schließlich niederlassen, um darauf zu warten, dass ein Mensch mit einer Leiter kommt und sich der Situation annimmt. Ist der Mensch oben, steht die Katze auf und streift aufgeregt um die Leiter herum. Sollte der Mensch deswegen runterfallen und hilflos auf dem Boden liegen, wird die Katze zu ihm kommen, ihre Pfote auf sein Gesicht legen und etwas zu essen verlangen.

So sind sie, die Katzen. Schon Kurt Tucholsky schrieb unter seinem Pseudonym Peter Panter (sic!): „Die Katze ist das einzige vierbeinige Tier, das den Menschen eingeredet hat, er müsse es erhalten, es brauche aber nichts dafür zu tun.“ Das Zitat entstammt dem Artikel [1][“Der Katzentrust“], erschienen 1928 in der Vossischen Zeitung, der sich mit einer verschwörerischen Kollaboration von Katzen und Ratten im Paris befasst. Dort steht auch: „Jetzt ist es also zunächst heraus, warum so viele Katzen in Paris herumsitzen. Sie symbolisieren irgend etwas: den Hausbesitzerstand; die Seele der Portiers, den weiblichen Charme – der Gewerbefleiß ist jedenfalls nicht darunter.“

Die Katze als das Mustertier des Müßiggangs, als die aufrechte Kämpferin bzw. realistischerweise: als die in eingerollter Pose liegende Beobachterin des Kampfes gegen protestantische Arbeitsethik und neoliberale Selbstausbeutung.

Allein deswegen sollen und müssen wir ihr huldigen, am Weltkatzentag und auch sonst. Katzen lassen sich von der Deutschen Post nicht als Streikbrecher instrumentalisieren. Katzen führen keine To-do-Listen. Katzen haben keine Schrittzähler-App auf ihrem Smartphone installiert und vor allem diskutieren Katzen mit dir nicht über Zeitmanagement und Self-optimization. Was sie heute nicht schaffen, erledigen sie einfach in den nächsten sechs bis acht Leben. Diese glücklichen Tiere.

8 Aug 2015

LINKS

[1] http://www.textlog.de/tucholsky-katzentrust.html

AUTOREN

Michael Brake

TAGS

Katzen
Muße
Katzen
Katzen
Katzen
Tierschutz
Kreaturen
Affen
Katzen
Katzen

ARTIKEL ZUM THEMA

Wie jede Website zu Cat Content wird: Fünf Browser-Erweiterungen, miau

Die Welt feiert den Internationalen Tag der Katze. Wir zeigen Ihnen, wie Sie die Verehrung der Katze auch in Ihren Alltag integieren können.

Gründerin über Hamburger Katzen-Café: „Traurig, wenn man züchtet“

Rilana Rentsch hat ein Katzencafé eröffnet, das auf Tierschutz setzt. Statt die Tiere zu züchten, sei die Adoption von Straßen- und Heimkatzen viel sinnvoller.

Projektionen auf die Mieze: Auf den Hund gekommen

Früher waren Katzen nur Katzen. Heute sind sie Klienten und Konsumenten. Eine Sammlung.

Maßnahmen gegen Streunerkatzen: Kastration oder Ausgangssperre

Rund zwei Millionen streunende Hauskatzen sollen in Deutschland leben. Der neue Tierschutzbericht drängt auf eine Kastrationspflicht für Freigängertiere.

Kolumne Kreaturen: Fußliebende Fische und scheue Elche

Probleminsekten, Biber, Schmetterlinge und immer wieder Störche: Wem man auf einem Roadtrip durch Lettland und Litauen so alles begegnet.

Affeneinsatz in chinesischer Luftwaffe: Billigmakaken aus dem Osten

China will seine Militärparade vor Vogelschiss schützen und setzt dazu Affen ein. Eine Gruppe von Steet-Art-Makaken wurde hierzu ausgebildet.

Alte Katzen zum Weltkatzentag: Max, 19 Jahre, leicht dement

Wenn greise Katzen und Kater raus sind aus dem lustigen YouTube-Clip-Alter und noch dazu dement, ist das nicht immer komisch.

Kolumne zum Weltkatzentag: Das gute K

Ein neues Image für Cat Ladys, ein Filmprojekt in Istanbul und der 40. Geburtstag einer stummen Ikone: Highlights des Katzenjahres 2014.

Kolumne zum Weltkatzentag: Die Alphatiere des Internets

Miao, miao, Weltkatzentag! Wie die Katzen 2012 den Angriff eines anderen Flauschtieres geschickt weggeschnurrt haben. Und: Das beste Katzencomic der Welt.

Kolumne zum Weltkatzentag: Der schönste Tag im Internet!

Nur Katzen haben den DNA-Powermix aus pelziger Niedlichkeit und individualistischer Erhabenheit. Deswegen müssen wir sie uns immer wieder im Internet anschauen.