taz.de -- Reaktionen auf LeFloid-Interview: Der blanke Neid
Ein 27-jähriger Youtuber interviewt die Kanzlerin. Die etablierten Medien machen sich darüber lustig. Weil sie nichts zu lachen haben.
Was war die Häme groß. LeFloid, dieser kleine Schülerpraktikant von Youtube, erdreistet sich, [1][die Kanzlerin zu interviewen] – und dabei nickt er ständig, sagt „absolut“, hakt nicht nach und lässt sich von Merkel vorführen. Wie profan.
Er wirkte „wie ein Pennäler, der es kaum fassen konnte, in dieses Kanzleramt vorgelassen worden zu sein“, schreibt die FAZ. Der Stern ist sicher: „Das muss weh getan haben. Beim Zusehen tat es das jedenfalls.“ ZeitOnline findet, dass Merkel ihr erstes Youtube-Interview „auch dem Kika hätte geben können“. Die taz schreibt von „Suppenkasper“ und „Schülergespräch“, für den SWR war LeFloid der „schüchterne Sohn“.
Viele etablierte Medien machten sich über den 27-jährigen Florian Mundt alias LeFloid lustig, der Anfang der Woche das ungeschnittene 30-Minuten-Interview mit Merkel online stellte. Mit Spott überschütteten sie ihn, der mit seinen News-Videos regelmäßig mehr als eine Millionen Menschen erreicht – und damit mehr Reichweite hat als überregionale Zeitungen. Das Merkel-Interview hatte nach wenigen Tagen über 2,5 Millionen Klicks.
Die Rechnung ist aufgegangen. Für LeFloid und Merkel.
An Merkel prallen fast alle ab
Aus diesen Reaktionen spricht der blanke Neid. Neid derer, die der Kanzlerin auch nach 25 Jahren im Berliner Medienzirkus nie näher als zehn Meter gekommen sind. Und letztlich auch die Erleichterung darüber, dass das Interview dieses Internet-Typen dann doch so revolutionär nicht war. Dass Merkel auch LeFloid kaum Einblick in ihre Gefühlswelt gegeben hat, nicht sagte, wie lange sie noch Kanzlerin sein will oder wer der CDU Spendengelder gab.
Letztlich prallen an Merkel fast alle Journalisten ab. Wirklich zu fassen bekommt sie niemand. Wirklich Neues erfährt von ihr niemand. Alle bekommen die üblichen Floskeln. Dies jetzt LeFloid vorzuwerfen, der sich selbst nicht als Journalist bezeichnet, zeugt von Arroganz. Und es erinnert an 2011, als Regierungssprecher Steffen Seibert bei Twitter einstieg – und damit die Angst wuchs, den exklusive Zugang zu Informationen zu verlieren.
Es ist die Angst davor, überflüssig zu werden.
17 Jul 2015
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