taz.de -- Die Wahrheit: Freiland-Sex nach gut deutscher Art

Neues aus Neuseeland: Es gibt wieder Sexnachrichten aus dem nicht gerade übererotisierten Aotearoa. Die Deutschen sind mittenmang dabei.

Verzeihung, wie peinlich. Schon wieder ein Rückfall in alte Zeiten. In jungen Jahren arbeitete ich bei einer Kölner Boulevardzeitung im „Show-Ressort“. Gegoogelt wurde nicht, sondern pausenlos telefoniert - mit Menschen, die wie ich keinen anständigen Beruf erlernt hatten und unser Blatt mit ihren Trennungen, Outings und Rausschmissen aus der „Lindenstraße“ füllten. Ich kannte Frank Elstners Glasauge aus nächster Nähe und hatte Roy Black volltrunken erlebt. Meine Texte tippte ich vor einem Bildschirm, der so tief wie breit war, mit hellgrünen Buchstaben auf schwarzem Grund. Nachrichten kamen aus dem „Ticker“ und landeten krachend per Rohrpost im verqualmten Redaktionsraum.

Doch, Autos gab es damals schon, auch elektrisches Licht. Aber außer dem bisschen Technik hat sich seit jener dunklen Vergangenheit nicht viel geändert: Egal ob Saalwette oder Schreinemakers - es geht immer, immer um „die Geschichte“. Geschichten sollen kurz sein und knackig. Noch besser, nackig. Daher kommt es, dass ich hier niemanden mit den ernsten Themen aus meiner neuen Heimat langweile, sondern mir nur die Rosinen rauspicke. Und die müssen bitte saftig sein, wenn wir Kiwis schon keine Promis von Kardashian-Format haben.

Das alles als Einleitung dafür, dass es hier wieder anzügliche Nachrichten gibt. Meine Auslese ist in keiner Weise repräsentativ für das schöne, grüne, meist unerotische Aotearoa. Sie hat viel mehr mit mir, meiner dubiosen Vergangenheit oder dem Hormonwechsel in mittleren Jahren zu tun. Aber vorenthalten will ich sie niemandem. Denn nach dem „Office Sex“-Skandal, der vor Kurzem um die Welt ging - ein Büroliebespaar wurde nach Feierabend in flagranti von der Bar gegenüber gefilmt - reißen die öffentlichen Unzüchtigkeiten offenbar gar nicht mehr ab.

Im Touristenort Queenstown, wo es in den Bergen gerade nachts so richtig kalt ist, wurde ein tschechisches Pärchen um drei Uhr früh gegenüber vom Nobelhotel Eichardts von Passanten beim „Sexeln“ überrascht - ein Wort aus Kölner Zeiten, das ich aus purer Sentimentalität nach einem Vierteljahrhundert reanimiere.

Als die Polizei hinzukam, entschuldigten die Touristen sich damit, dass so ein Straßenverkehr in ihrer Heimat ganz normal sei. Das wiederum rief den Honorarkonsul der tschechischen Republik in Auckland auf den Plan. Der erklärte das Paarungsverhalten seiner Landsleute etwas anders. „In Prag sieht man keine Menschen, die überall kopulieren“, äußerte er sich verschnupft. In Deutschland dagegen, da würden Nackte in der Öffentlichkeit toleriert - „und das färbt wahrscheinlich auf einige Tschechen ab“.

Diese Osteuropäer! Die können den Kiwis viel erzählen, denn uns Germanen traut man alles zu. Nicht ganz zu Unrecht. Zum Glück hat die deutsche Botschafterin im Lande den Vorfall nicht weiter kommentiert.

Heute Abend spielt übrigens Deutschlands U-20-Fußballnationalmannschaft in Christchurch. Wehe, die jungen Helden treibens danach im Park. Die Boulevardpresse passt auf!

4 Jun 2015

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Anke Richter

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