taz.de -- Kommentar Norwegischer Kohleausstieg: Symbol einer neuen Klimapolitik
Der weltgrößte Pensionsfonds will nicht mehr in Kohle investieren. Das ist ein erster Schritt, um mehr Geld in eine grünere Wirtschaft umzuleiten.
Okay, es könnte Krieg geben, einen gewaltigen Asteroideneinschlag oder eine Invasion alles vernichtender Aliens. Falls derartige Ereignisse im nächsten Jahrhundert auf sich warten lassen, ist der drohende Klimawandel das, was er ist: die größte Gefahr überhaupt für Milliarden von Menschen, ein Leben in Würde zu leben – oder überhaupt zu überleben.
Begreift man das, ist der Jubel so mancher Umweltverbände verständlich. Sie feiern teilweise begeistert den wahrscheinlichen Teilausstieg des Norwegischen Pensionsfonds, des größten der Welt, aus der Finanzierung von Kohleunternehmen.
Wie sich die Regelung am Ende auswirken wird, ist offen. Angesichts der Billionenbeträge, die weltweit in der Öl, Gas und Kohleförderung stecken, ist auch der Milliardenrückzug aus Norwegen nur ein symbolischer Akt.
Aber genau darin liegt seine Stärke. Will die Menschheit den Klimawandel in erträglichen Bahnen halten, braucht es entweder einen zivilisatorischen Zusammenbruch – oder eine Umleitung der weltweiten Kapitalströme in eine neue Art des Wirtschaftens.
Die Schleusen, die dafür gebaut werden müssen, sind noch nicht erfunden. Niemand weiß, wie Billionen von Dollar aus der alten Wirtschaft fossiler Brennstoffe in eine potenziell neue, grünere umgeleitet werden können – es gibt schlicht nicht so viele Wind- oder Solarfabriken, in die das Geld investiert werden könnte.
Was Norwegen nun plant, ist deshalb ein Schleusenmodell, das zeigen wird, wie auch ohne die profitablen und risikoarmen Anlagen in fossile Rohstoffe Rendite erwirtschaftet werden kann – und zwar mit Anlagevolumen, die wirklich etwas bewegen können.
Aber was heißt hier risikoarme, fossile Anlagen? Die Definition von Risiko ist ein soziales Konstrukt. Wenn das Risiko Klimawandel endlich in die Finanzmärkte eingepreist werden würde, dann würde es bald viele geben, die es Norwegen gleichtun.
29 May 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Divestment: Öffentlicher Druck auf die Firmen beginnt hierzulande gerade erst. Eine Kampagne appelliert an Städte und Hochschulen.
Der zweitgrößte Pensionsfonds der Welt gehört dem norwegischen Staat. Er soll künftig nicht mehr in Kohle investieren.
Umweltschützer fordern: Berlin soll sein Kapital aus Firmen abziehen, die den Klimawandel befeuern. Der Pensionsfonds nutzt die Geldanlage zur Rendite.