taz.de -- Baseball: Spritzige Rekordjagd

Weil Dopingsünder Barry Bonds bald zum besten Homerun-Schläger aller Zeiten aufrückt, hat die Major League Baseball ein größeres Problem.
Bild: Giants Chef Bobds bei seinem 751. Homerun am 28. Mai

In einem schicken Büro im 30. Stock eines Bürohochhauses in Milwaukee sitzt ein einsamer Mann. Doch statt den atemberaubenden Ausblick über den Lake Michigan zu genießen, grübelt er. Denn Bud Selig steht eine schwere Entscheidung bevor: Demnächst wird einer der bedeutendsten Rekorde im Baseball eingestellt werden und der Commissioner muss beschließen, wie dieser historische Augenblick begangen werden soll.

Normalerweise wäre das keine Frage: Der Tag, an dem jemand den 755. Homerun seiner Karriere in die Sitzreihen eines Stadions drischt und damit zum legendären Hank Aaron aufschließt, würde im statistikverliebten Amerika zum Baseball-Feiertag erklärt. Selig wäre selbstverständlich anwesend, um den Heroen gebührend zu ehren, und würde als Chef der Major League Baseball (MLB) die Gelegenheit nutzen, den wundervollen Sport zu preisen.

Das Problem ist nur: Dieser gewisse Jemand, der sich anschickt, Aaron aus der Rekordliste zu schubsen, heißt ausgerechnet Barry Bonds. Und der ist nicht nur ein weitgehend unbeliebter, zu Größenwahn, Selbstverliebtheit und Arroganz neigender Typ, sondern auch ein Doper. Bonds war eine zentrale Figur des Balco-Skandals und hat vor einem Untersuchungsausschuss den Gebrauch illegaler Mittel eingestanden. Sein ehemaliger Vertrauter und Drogenlieferant sitzt bereits im Gefängnis und zwei Journalisten beschreiben in einem Buch detailliert, wie er sich mit Hilfe von Drogen zum muskelbepackten, eindimensionalen Homerun-Schläger wandelte. Es darf als erwiesen angesehen werden, dass Bonds ohne Doping in der Saison 2001 nicht 73 Homeruns erzielt hätte (auch das ein Rekord für die Ewigkeit) und niemals auch nur in die Nähe von Aaron gelangt wäre. Aber: Bonds wurde niemals positiv getestet. Vor allem deshalb, weil er bis vor kurzem überhaupt nicht getestet wurde. Erst für diese Saison hat Commissioner Selig der MLB ein halbwegs ernsthaftes Anti-Doping-Testprogramm verordnet.

Noch hat Selig sich nicht entschieden, wie er sich verhalten wird. Aber der prekäre Zeitpunkt rückt immer näher. Am Montag verhalf Bonds seinen San Francisco Giants mit einem Homerun zum 4:3-Erfolg gegen die Toronto Blue Jays. Vor allem aber kam er Aaron wieder ein Stückchen näher. Nur noch acht Homers fehlen zum Rekord. "Ich bin dafür verantwortlich, das Image unseres Sports zu schützen", sagt Selig, "aber manchmal gehen die Dinge nicht so, wie man sich das wünschen würde." Er werde seine Entscheidung kurzfristig fällen, sagte er.

Hank Aaron hat sich entschieden. Der Noch-Rekordhalter wird definitiv nicht anwesend sein, wenn Bonds ihn einholt. Er sei des vielen Reisens müde, ließ der mittlerweile 73-Jährige verlauten, und möchte die Leistungen seines Nachfolgers nicht weiter kommentieren. "Ich mache mir keine Gedanken über Barry", sagt er, "ich weiß nicht mal, wie man seinen Namen schreibt."

So einfach kann es sich Selig nicht machen. Ein guter Teil der Fans außerhalb von San Francisco, wo Bonds trotz der Doping-Enthüllungen immer noch sehr beliebt ist, würde seine Namen am liebsten komplett aus den Rekordbüchern streichen. Andere wollen Bonds Statistiken zumindest mit einem Sternchen versehen wissen. Das Publikum außerhalb von San Francisco begleitet den 42-Jährigen auf seiner Rekordjagd mit bissigen Zwischenrufen und mitunter werfen Zuschauer sogar Spritzen aufs Spielfeld.

13 Jun 2007

AUTOREN

Thomas Winkler

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MLB

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