taz.de -- Kommentar: Erfreuliche Ehrlichkeit
Bislang war der Energiegipfel eher ein Showtermin. Inzwischen wird der Ton aggressiver. Kein Wunder: Die Interessengegensätze zwischen Politik und Industrie sind zu groß. Es kann keinen Konsens geben.
Vor dem "Energiegipfel" im Kanzleramt wird der Ton rauer. Konzernbosse beschimpfen den Umweltminister als "realitätsfern". Der kontert, die Industrie agiere "verantwortungslos". Kampfbegriffe wie "Wirtschaftsstalinist" und "Arbeitsplatzvernichter" machen die Runde.
Nachdem die Energiegipfel bisher als Show-Termine inszeniert wurden, bei der sich Wirtschaft und Politik gemeinsam zur Verantwortung für Energie und Klima bekannten, kehrt mit dem aktuellen Streit eine erfreuliche Ehrlichkeit zurück. Die großen Energieversorger und Teile der Industrie merken, dass die Klimapolitik der Regierung tatsächlich einige ihrer Geschäftsmodelle bedrohen könnte. Darum lassen sie nun die Masken fallen und kämpfen offen für ihre Interessen. Sie zweifeln wissenschaftliche Studien an, drohen mit Arbeitsplatzverlusten und starten durchsichtige Kampagnen, in denen sie Atomkraftwerke als Klimaschützer bejubeln.
Das Ziel ist klar: Die Energieversorger machen derzeit gewaltige Gewinne. Darum möchten sie, dass sich möglichst wenig ändert. Sie wollen ihre Netze als Machtmittel gegen kleine Konkurrenten behalten, weiterhin klimaschädliche Kohlekraftwerke bauen und ihre alten Atomreaktoren möglichst lange am Netz halten. Steigende Effizienz und damit niedrigerer Energieverbrauch bedrohen den sicheren Profit ebenso wie die Energierebellen aus Schönau, die den Großkonzernen nicht nur das örtliche Netz, sondern bundesweit auch 50.000 KundInnen abgenommen haben.
Was der Gipfel unter diesen Bedingungen leisten kann, ist klar: nämlich die Industrie informieren, auf welche Gesetze und Grenzwerte sie sich langfristig einstellen sollte. Einen Konsens über die Energiepolitik zu erreichen, kann hingegen nicht das Ziel sein. Dafür liegen das Interesse der Gesellschaft (Begrenzung des Klimawandels) und das der Konzerne (Gewinnmaximierung) zu weit auseinander. Angesichts der klaren Interessenpolitik der Wirtschaft muss die Politik sich ebenso klar auf die Interessen besinnen, die sie vertritt - und dabei standhaft bleiben. Wenn die Unternehmen deshalb nicht zum Gipfel kommen wollen - dann bleiben sie eben weg.
29 Jun 2007
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