taz.de -- Pakistans Ex-Premier Bhutto getötet: "Sie ist den Märtyrertod gestorben"

Mit dem Mord an Ex-Premier Bhutto haben die Islamisten in Pakistan ihr vorerst wichtigstes Ziel erreicht. Oppositionspolitiker Sharif kündigte den Boykott der Parlamentswahl an.
Bild: Benazir Bhutto auf einer Wahlkampfveranstaltung vor zwei Wochen.

DELHI taz Die Morddrohungen islamistischer Fanatiker gegen Pakistans Oppositionsführerin und ehemalige Premierministerin Benazir Bhutto sind wahr geworden. Die 54-Jährige starb am Donnerstagnachmittag, als ein Attentäter in der Garnisonsstadt Rawalpindi vor der Toren der Hauptstadt Islamabad nach einer Wahlkampfveranstaltung ihrer Partei PPP (Pakistanische Volkspartei) mehrere Schüsse auf sie feuerte, während sie dabei war, in ihr Auto zu steigen. Anschließend sprengte sich der Mann in die Luft. Vertreter von Bhuttos Volkspartei PPP sagten, sie sei durch Schüsse in die Brust und in den Hals getötet worden. Ein Sprecher des Innenministeriums hingegen sagte, Bhutto sei Verletzungen erlegen, die sie durch einen Bombensplitter erlitten habe.

Am Ort des Anschlages herrschte nach dem Attentat Chaos. Pakistanische Fernsehsender zeigten Aufnahmen von Toten und Verletzen. Menschen knieten neben Getöteten und schlugen sich auf die Brust. Mindestens 20 weitere Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben, darunter mehrere Polizisten.

Zunächst hatte es geheißen, Bhutto habe das Attentat unverletzt überstanden. Sie war nach dem Anschlag in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht worden. Erst später teilte ein Sprecher mit: "Sie ist den Märtyrertod gestorben." Aufgebrachte Anhänger der Politikerin skandierten daraufhin "Musharraf, du Hund" und zerschlugen mehrere Fensterscheiben der Notaufnahme des Krankenhauses. Ein Anhänger von Bhuttos Partei sagte, sie sei um 18:16 Uhr pakistanischer Zeit gestorben.

Es war der zweite schwere Anschlag auf die Politikerin seit ihrer Rückkehr nach Pakistan im Oktober dieses Jahres. Damals hatten sich bei einer Parade in der Stadt Karatschi zwei Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und knapp 150 Menschen getötet. Bhutto überlebte dieses Attentat unverletzt.

Ebenfalls am Donnerstag wurden in Islamabad bei einer Wahlveranstaltung der Muslimliga von Nawaz Sharif, der zweimal Benazir Bhutto als Ministerpräsident abgelöst hat, drei Parteiaktivisten erschossen. Sharif kündigte den Boykott der für den 8. Januar geplanten Parlamentswahl an. Zugleich forderte er Staatschef Pervez Musharraf zum Rücktritt auf.

Mit den Anschlägen verschärfen die Islamisten ihre blutige Chaos-Strategie. Für den 8. Januar 2008 sind in Pakistan Parlamentswahlen angesetzt. Erst vor wenigen Tagen hatte ein Kommandeur, der den afghanischen Taliban nahesteht, pakistanischen Journalisten gesagt, dass er die Wahlen unbedingt verhindern wolle. Ihre Machtbasis haben die Islamisten im unruhigen Nordwesten Pakistans an der afghanischen Grenze, wo 90.000 pakistanische Soldaten Jagd auf sie machen. Die Taliban nutzen die Region als Rückzugsgebiet.

Mit dem Tod Bhuttos haben die Islamisten ihr vorläufig wichtigstes Ziel erreicht. Das mögliche Regierungsduo aus einer Premierministerin Bhutto und einem zivilen Präsidenten Musharraf, auf das vor allem die USA gedrängt haben, ist nun nicht mehr möglich. Für die USA war Bhutto als Premierministerin die erste Wahl, denn sie hatte immer ihre prowestliche Haltung beteuert. Das sollte nun zu ihrem Todesurteil werden.

Aber es gibt auch andere Mutmaßungen im Land über den Anschlag. "Benazir Bhutto war die größte Bedrohung für die Musharraf-treuen Parteien", sagte der Analyst Farzwna Shaihk vom renommierten britischen Forschungsinstitut "Chatham House". Der Anschlagsort wirft Fragen auf. Rawalpindi, die einstige Hauptstadt Pakistans, beherbergt das Hauptquartier des pakistanischen Militärs und gilt als eine der am besten gesicherten Städte des Landes. Es ist schwer vorstellbar, dass ein tödlicher Anschlag hier ohne Komplizenschaft im Sicherheitsapparat gelingen kann.

Der Anschlag nutzt Musharraf insofern, als nun keine der beiden großen Volksparteien Pakistans mit einem charismatischen Spitzenkandidaten ins Rennen gehen kann. Bhuttos ziviler Rivale Nawaz Sharif und sein Bruder Shahbaz wurden von der Wahlkommission von der Wahl ausgeschlossen, weil sie vorbestraft sind. Nun ist auch Bhutto aus dem Spiel. Die Kommission gilt als Musharraf-treu, und Sharifs Vorstrafen kommen von Sondergerichten, die Musharraf einrichten lassen hatte.

Musharraf rief im Fernsehen zur Ruhe auf, nachdem in Reaktion auf den Mord Unruhen ausbrachen. Der Präsident sprach von einem Terroranschlag und verfügte drei Tage Staatstrauer. Aus den Metropolen Karatschi und Lahore wurde Gewehrfeuer gemeldet. Die Streitkräfte wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt, die "Alarmstufe Rot". Am Abend blieb offen, ob Musharraf erneut den Notstand über Pakistan verhängen könnte.

27 Dec 2007

AUTOREN

Sascha Zastiral

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