taz.de -- Kommentar Abschiebung: Weil es nicht um Weiße geht

Gerson Liebl wurde nach 18 Jahren aus Deutschland abgeschoben. Spricht aus diesem Akt etwas anderes als Rassismus?
Bild: Seit Mittwoch für sein Recht, hier zu sein, im Hungerstreik: Gerson Liebl vor dem Roten Rathaus

Was Vorurteilslosigkeit bedeutet, kann man an dem jungen Straubinger Dr. Fritz Liebl und seinem Schwiegervater ablesen. Vor 101 Jahren heiratete der schneidige Kolonialarzt Liebl in Aného, gelegen im heutigen Togo, die Einheimische Kokoé Edith Ajavon. Ihr Vater, der Stammesfürst, befürwortete diese Verbindung und traute das deutsch-afrikanische Paar nach den heimischen Gebräuchen. Aus dieser Ehe ging ein Sohn hervor.

Vorgestern wurde Kokoés und Fritz Enkel, Gerson Liebl, nach 18 Jahren aus Deutschland abgeschoben. Spricht aus diesem Akt etwas anderes als Rassismus? Gerson Liebl hinterlässt in der Bundesrepublik eine Frau und einen achtjährigen Sohn, der in Bayern geboren wurde. Fadenscheinige juristische Petitessen wurden vorgeschoben, um Gerson Liebl die deutsche Staatsbürgerschaft zu verwehren. Käme Gerson Liebl aus einer "deutschen" Aussiedlerfamilie, die sich im 18. Jahrhundert an der Wolga niedergelassen hat, wäre eine Einbürgerung kaum ein Problem gewesen. Aber bei dunkelhäutigen Menschen ist das wohl anders. Ganz offensichtlich haben die deutschen Behörden verbissen darum gekämpft, hier einen Präzedenzfall zu vermeiden. Es könnten ja ein paar hundert Afrikaner kommen, die Ähnliches wollen. Oh Gott, wie schrecklich!

Gerson Liebl hat 18 Jahre lang fast wie ein Michael Kohlhaas um sein Recht gekämpft, Deutscher zu werden. Er wollte nicht nur eine Regelung für sich, sondern auch für alle anderen Nachkommen deutscher Kolonialisten in Afrika. Deshalb hat er manche goldene Brücke nicht betreten, die ihm zumindest einen Aufenthalt hierzulande gesichert hätte. Das war ein Fehler.

Der Skandal bleibt, dass im Ausländerrecht mit zweierlei Maß gemessen wird. Gerson Liebls Fall ist nicht der einzige, der ein im Kern rassistisches Denken offenbart. Die weißen, vorzugsweise europäischen Ausländer, die haben wir hier gern. Die Nichtweißen können bleiben, wo der Pfeffer wächst. Aber wie soll es auch anders sein in einem Land, das seine Kolonialgeschichte bis heute meist verdrängt? Einem Land, das noch nicht einmal für den Völkermord an den Herero im einstigen Deutsch-Südwestafrika klare Worte der Entschuldigung gefunden hat.

18 Feb 2009

AUTOREN

Philipp Gessler
Philipp Gessler

TAGS

Deutscher Kolonialismus
Deutscher Kolonialismus

ARTIKEL ZUM THEMA

Folgen des deutschen Kolonialismus: Gerson Liebl klagt an

Seit fast 30 Jahren versucht der Nachfahre eines deutschen Kolonialbeamten Deutscher zu werden. Jetzt ist er im Hungerstreik.

Deutscher Kolonialismus: Gerson Liebls letzter Trumpf

Weil sein Großvater Deutscher war, kämpft Gerson Liebl aus Togo seit Jahren für seine Einbürgerung. Jetzt hat er ein historisches Dokument gefunden.

Abschiebung von Gerson Liebl: "Das ist rassistisch"

Weil Gerson Liebls Großvater eine Einheimische aus Togo heiratete, wird seine Staatsbürgerschaft heute nicht anerkannt - schuld ist ein Gesetz von 1913. Ein Vertrauter von Gerson Liebl übt Kritik an den Behörden.