taz.de -- Kommunale Finanzen: "Der Staat macht sich arm"

Die Wirtschaftskrise hat die Kommunen in diesem Jahr zurück ins Defizit fallen lassen, belegen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Das Geld fehlt zuerst bei Bibliotheken und Bädern.
Bild: Als erstes wird der "freiwillige Bereich" zusammengespart.

taz: Herr Schäfer, die Kommunen haben bis September 2009 6,7 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen. 2008 gab es in dieser Zeit noch 5,6 Milliarden Überschuss. Wo wird jetzt gespart?

Roland Schäfer: Es gibt zwei Punkte, bei denen Kommunen zwangsläufig als Erstes ansetzen. Erstens der sogenannte freiwillige Bereich, wie Bibliotheken, Theater, offene Jugendarbeit. Wir wissen, dass es kontraproduktiv ist, dort zu kürzen, weil dann in späteren Jahren die Kosten - zum Beispiel für Jugendgerichtshilfe - deutlich höher sein werden. Der zweite Bereich ist die Bauunterhaltung. Dort zu streichen, geht eine Zeit lang gut, aber auf Kosten der Substanz.

Sind die aktuellen Defizite allein auf die Wirtschaftslage zurückzuführen?

Der Hauptpunkt ist klar die Krise, die gerade in der Gewerbesteuer voll durchgeschlagen hat. Das andere sind politische Entscheidungen, Steuersenkungen, wie sie jetzt auch im Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen wurden. Finanzfachleute vom Städte- und Gemeindebund rechnen damit, dass wir durch das Gesetz noch etwa 1,2 Milliarden weniger Einnahmen haben werden. Für meine Stadt Bergkamen hieße das grob etwa 550.000 Euro weniger.

Am Beispiel Ihrer Stadt: Wo wird dieses Geld ganz konkret herkommen?

Wir haben schon beschlossen, dass wir die Grundsteuer erhöhen: Also alle Bürger, die hier Eigentum haben, zahlen mehr. Aktuell bereiten wir weitere Maßnahmen vor, etwa Erhöhung der Kindergartenbeiträge, die Einführung von Eintrittsgebühren im Stadtmuseum und höhere Gebühren für die Stadtbibliothek. Verbunden damit muss es Leistungseinschränkungen geben. Wir werden wohl die Öffnungszeiten der Bäder kürzen, im Hallenbad die Wassertemperatur absenken. Und in der Verwaltung werden in den nächsten Jahren 17 Stellen eingespart.

2009 und 2010 fließen dank des Konjunkturpakets II Milliarden in die Kommunen. Jammern Sie auf hohem Niveau?

Das Konjunkturpaket II war ohne Frage sehr positiv. Wir haben hier mehrere Schulen auf Vordermann gebracht, und auch die lokale Bauindustrie hat die Folgen gespürt. Grundsätzlich gibt es natürlich weiterhin Regionen, die relativ stabil sind, etwa der Düsseldorfer und der Stuttgarter Raum oder München.

Liegen Probleme nicht auch an örtlicher Misswirtschaft?

Natürlich kann man nicht für jede Kommune seine Hand ins Feuer legen, ich will sie nicht reinwaschen. Aber Luxusausgaben - das sind Einzelfälle. In Nordrhein-Westfahlen gibt es von den 360 Kommunen, die im Städte- und Gemeindebund organisiert sind, nur 35, bei denen die normalen Einnahmen ausreichen, um die normalen Ausgaben zu decken.

Was kommt 2010 auf Sie zu?

Der Staat macht sich bewusst selber arm. Wenn man Bildung und eine funktionierende Feuerwehr haben will, braucht man Einnahmen. Einen armen Staat können sich nur die ganz Reichen leisten, die Geld haben für Privatlehrer und Sicherheitsdienste. Die normale Bevölkerung braucht diese Leistungen. Der bewusste Verzicht auf Steuereinnahmen ist meiner Meinung nach fahrlässig hinsichtlich der Zukunft der Bundesrepublik.

23 Dec 2009

AUTOREN

Luise Strothmann

ARTIKEL ZUM THEMA