taz.de -- Kommentar DFB-Schiedsrichteraffäre: Mieses Spiel, gutes Ergebnis

Diese Schiedsrichteraffäre aus Bezichtigung und Denunziation könnte dazu beitragen, dass auch im Fußballmilieu so etwas wie eine Lockerungsübung in Sachen Schwulsein möglich wird.

Der ideale Spielverlauf wäre ungefähr so gewesen: Ein wirklich prominenter, noch aktiver, womöglich im WM-Kader Joachim Löws stehender Mann hätte bekannt, das zu sein, was er mitzuteilen am liebsten verhindert hätte - nämlich schwul. Aber all jene anderen homosexuellen Männer, die selbstverständlich nicht versteckt leben, die seien ihm ein Zeichen gewesen: nicht mehr zu lügen, das heißt, den heterosexuellen Macker zu geben, mit Spielerfrau an seiner Seite, etwa im Stile von Victoria Beckham.

Ja, das wäre der Spielzug gewesen, den sich einer wie der DFB-Präsident Theo Zwanziger ausgedacht haben könnte: ein Held, geboren aus der neuen Courage unserer Zeit. Sei du selbst! Sei offen! Belüge uns nicht! Streu uns keinen Sand in die Augen, denn auch Homosexualität muss kein Makel sein.

Im wahren Leben kommt es seit Wochen anders. Der DFB hat es mit einem Oberschiedsrichter zu tun, der, gleichwohl mit einer Frau verheiratet und Vater, mindestens einem jungen Kollegen an die Wäsche ging. Der DFB hat es obendrein mit einem Schiedsrichter zu tun, der möglicherweise mit dem sexuellen Kontakt zum Oberschiedsrichter diesen nötigte - aus karriereförderlichen Gründen.

Das alles ist unappetitlich und absolut vormodern. Dennoch könnte diese klebrige Gemengelage aus Bezichtigung und Denunziation dazu beitragen, dass auch im Fußballmilieu so etwas wie eine Lockerungsübung in Sachen Schwulsein möglich wird. Auf dass Männer wie Amerell nicht mehr den Heterosexuellen geben müssen. Und solche wie der angeblich von ihm sexuell Genötigte nicht mehr scheintriumphieren können, nicht schwul zu sein. Der DFB müsste dann keine Heterozwangsgemeinschaft mehr sein; und das wünscht man sich dort doch schon lang - oder?

6 Mar 2010

AUTOREN

Jan Feddersen

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