taz.de -- Kommentar Katholischer Steuerungsrat: Aussitzen war gestern

Die Deutschen Bischöfe wollen die Krise des katholischen Klerus und tabuisierte Themen analysieren. Doch die Idee scheint mehr ein Manöver, um die Gläubigen zu beruhigen.

Monate der Heimsuchung waren dies für die katholische Kirche in Deutschland – und nicht nur für sie. Der vatikanische Klerus überhaupt, das katholische Imperium schlechthin, hat sich durch eine Fülle von Missbrauchsfällen in moralischen Misskredit gebracht. Und dies ist der Gau für eine Glaubensgemeinschaft – denn eine solche lebt zuerst und vor allem von Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

In Deutschland mehren sich, zumal nach dem störrischen Verhalten des inzwischen vom Vatikan vom Dienst entbundenen Bischofs Walter Mixa, die Kirchenaustritte – und geht es ums Finanzielle, also um die Einbußen durch die feglenden Kirchensteuern. Da wird auch der letzte Bischof wach, der bis in diese Tage hinein noch von katholischer Geduld sprach und damit das Aussitzen der tiefen Krise meinte.

Deutschland katholische Bischöfe wollen der Krise ihres Glaubenszirkels nun auf den Grund gehen – mit der Gründung einer, wie es Spiegel Online berichtete, „Steuerungsgruppe“, die selbst Fragen wie die nach dem Sinn des Zölibats und der mittelalterlich-monarchischen Amtsführung (wie sie bei Bischof Mixa ruchbar wurde) nicht mehr für unhinterfragbar halten möchte.

Die Expertengruppe soll zwar, auch nach taz-Informationen, nicht hauptsächlich dem Personenstandsniveau von katholischen Theologen in der Amtskirche gewidmet sein. Zölibat oder nicht sind wenigstens Fragen – aber das Kernanliegen sei, so wird es aus dem Kreis von Bischöfe beim 2. Ökumenischen Kirchentag in München wenigstens inoffiziell überliefert, die Kirche in einen Reflexionsprozess zu geleiten: Wie kann die katholische Kirche in einer pluralistischen, weltanschaulich offenen Gesellschaft wie der deutschen überleben, ohne als gestrig und sektenhaft-hermetisch zu gelten? Wie kann, anders formuliert, die Kirche wieder salonfähig gemacht werden, nicht nur bei Erzkonservativen und religiösen Besitzstandswahrern?

Zu den Promotoren dieses auch „Think Tank“ genannten Unterfangens zählt der Trierer Bischof Stephan Ackermann wie sein Münchner Kollege Reinhard Marx. Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, zugleich Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, soll das Projekt mindestens informell befürworten.

Wie die römische Kurie, immerhin ausgestattet mit der Befugnis, einen jeden Bischof zu ernennen oder ihn zu suspendieren, die Bemühungen ihrer deutschen Abteilung um die Bewältigung der Krise einschätzt, ist offen. Institutionen, die theologisch nicht begründet werden können, etwa das Zölibat, werde gerade im Vatikan für indiskutabel gehalten. Ob also aus der deutschen „Steuerungsgruppe“ mehr erwächst als ein mehr oder weniger theoretischer Austausch um Mögliches, nicht um Umzusetzendes, steht heftig in Zweifel. Offenbar beginnen die Erschütterungen des katholischen Klerus erst so richtig – angestoßen durch säkulare Kräfte, die sich vom Klerus nicht mehr einschüchtern lassen wollten, könnte damit auch die Ökumene, wie vom Kirchenvolk in München praktisch gelebt, befördert werden.

16 May 2010

AUTOREN

Jan Feddersen

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