taz.de -- Rot-Rot will Streetview regeln: Berlin googelt Bilderverbot
Die Regierungsfraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus wollen Internetdiensten verbieten, Fotos von Privathäusern ungefragt zu publizieren. Auch das von der Landesregierung geförderte "Virtual Berlin" müsste einpacken.
Die Koalitionsfraktionen im Abgeordnetenhaus von Berlin wollen den Datenschutz ausweiten: Unternehmen sollen nur dann Bilder von privaten Hausfassaden im Internet veröffentlichen, wenn die Bewohner zugestimmt haben. Dies fordert ein Entwurf für einen Beschluss des Abgeordnetenhauses, dem die SPD-Fraktion bereits zugestimmt hat.
Rot-Rot positioniert sich damit gegen den Dienst Google Street View, der bereits Straßen in Berlin mit seinen Kamerawagen abfotografiert hat und die Bilder veröffentlichen will (siehe Kasten). Auch das mit Unterstützung der Landesregierung aufgebaute Angebot [1]["Virtual Berlin"] der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner wäre dann nicht mehr zulässig. Da der Datenschutz in der Kompetenz des Bundes liegt, ist die rot-rote Koalition in Berlin für eine Gesetzesänderung allerdings auf eine Mehrheit in Bundesrat und Bundestag angewiesen.
Google hat sich vorgenommen, so viel des verfügbaren Wissens wie möglich zu sammeln. Dazu durchforstet das Unternehmen, das ursprünglich als Suchmaschine startete, nicht nur Webseiten. Google scannt und digitalisiert auch Bücher, sammelt Nachrichten, vergleicht Preise von Online-Shops, vernetzt Freunde in einem sozialen Netzwerk, übersetzt Webseiten und bietet einen eigenen E-Mail-Dienst. Besonders populär sind die Dienste Google Maps und Google Earth, die wie ein digitaler Atlas funktionieren und Landkarten oder Satellitenaufnahmen zeigen.
In Zukunft sollen die Dienste zudem die Fotos zeigen, die Google von öffentlichen Straßen aus gemacht hat - und aus Orten etwa in Frankreich auch bereits veröffentlicht. Dies ist bisher in Deutschland nicht verboten, war aber bis vor kurzem technisch noch undenkbar. "Neu ist, dass hier flächendeckend alle Straßen erfasst werden", sagt [2][Sven Kohlmeier], Datenschutzpolitiker der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. "Durch die Verbindung zwischen Adressen und Fotos kann man leicht über das Internet jedes Privathaus sehen." Das kann man zwar auch, indem man selbst dort vorbeifährt. Kohlmeier: "Aber so ist der Aufwand deutlich geringer und dadurch die Qualität des Eingriffs in die Privatsphäre eine ganz andere."
Aber was gibt es denn überhaupt zu befürchten? Eine ganze Menge, meint Kohlmeier: Die Bank könnte viel einfacher schauen, in was für einer Wohngegend ein potenzieller Schuldner wohnt, wenn sie über die Kreditvergabe entscheidet. Kriminelle könnten leichter auskundschaften, welche Gegenden sich für Hauseinbrüche wohl lohnen.
Dies sei ja wohl "eine irrationale Angst", [3][findet dagegen Johannes Stahl], Geschäftsführer der Internet-Agentur [4][Werk21], die unter anderem Webseiten gestaltet. "Es ist kaum anzunehmen, dass sich potenzielle Einbrecher auf Daten verlassen, die mehrere Monate oder gar Jahre alt sind", meint Stahl. "Von gestiegenen Einbruchsraten in den bereits von Street View erfassten Regionen ist jedenfalls nichts dokumentiert, was diesen Schluss zuließe."
23 Jul 2010
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Rot-Rot unterstützt Bundesratsinitiative gegen Streetview. Aber muss der Staat die Bürger davor schützen?
Wollen Sie, dass ihre heimische Topfpflanze von allen gesehen wird? Falls nein: Eine Handreichung für die, die nicht auf Google Street View erscheinen wollen.
Verbraucherministerin verlangt, das Google von jedem Hausbesitzer eine schriftliche Genehmigung einholt, bevor Fotos veröffentlicht werden. Auch StudiVZ und Co. sollen mehr für Datenschutz tun.
Haus für Haus lässt sich ganz Berlin dreidimensional im Internet bewundern. Jeder Straßenzug wird sichtbar, das Modell soll Investoren anlocken.