taz.de -- Angespannte Stimmung in Warschau: Kaczynski-Gedenkkreuz entzweit Polen

Als tausende Polen gegen das Kreuz vor dem Präsidentenpalast demonstrieren, werden sie von den Befürwortern beschimpft. Nur ein großes Polizeiaufgebot kann Schlimmeres verhindern.
Bild: Grund für den Streit: Ein Kreuz, das von Pfadfindern vor dem Präsidentenpalast aufgestellt wurde.

WARSCHAU dpa | Ein Kreuz zum Andenken an den tödlich verunglückten Präsidenten Lech Kaczynski erregt in Polen die Gemüter. Vier Monate nach dem Flugzeugabsturz, bei dem das national-konservative Staatsoberhaupt ums Leben gekommen war, legte sein Zwillingsbruder Jaroslaw Kaczynski am Dienstag an dem umstrittenen Ort vor dem Präsidentenpalast in Warschau einen Blumenkranz nieder. Kaczynski-Anhänger, die das Holzkreuz Tag und Nacht bewachen, spendeten dem national-konservativen Oppositionsführer Beifall und riefen "Jaroslaw, Jaroslaw".

In der Nacht zum Dienstag hatten tausende überwiegend junge Menschen stundenlang gegen das Verbleiben des Kreuzes vor dem Amtssitz des neuen Präsidenten, Bronislaw Komorowski, demonstriert. In Sprechchören forderten sie eine Räumung des religiösen Symbols, das nach ihrer Auffassung das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche verletzt. Anhänger und Gegner des Kreuzes beschimpften sich gegenseitig, es kam vereinzelt zu Handgreiflichkeiten. Starke Polizeikräfte verhinderten Zusammenstöße.

Beim Flugzeugabsturz waren am 10. April Lech Kaczynski, seine Frau Maria und 94 andere prominente Politiker, Militärs und Geistliche gestorben. Kurz nach dem Unglück stellten Pfadfinder vor dem Präsidentenpalast das Kreuz zum Zeichen der Trauer auf.

Der Streit um das Kreuz ist Ausdruck eines scharfen Konflikts zwischen dem liberal-konservativen Lagers um Regierungschef Donald Tusk und Komorowski einerseits und den National-Konservativen um Jaroslaw Kaczynski andererseits. Mit Vorwürfen, Tusk und Komorowski hätten eine Mitschuld am Unglückstod seines Bruders, will Kaczynski nach der Niederlage beim Rennen um das Präsidentenamt seine Wähler vor der Kommunalwahl im Herbst mobilisieren.

10 Aug 2010

TAGS

Polen

ARTIKEL ZUM THEMA

Denkmäler für polnischen Ex-Präsidenten: Kaczyńskis Weg in den Himmel

„Aus Sicherheitsgründen“ verstaatlichte die polnische Regierung den Warschauer Pilsudski-Platz und lässt dort nun Denkmäler aufstellen. „Das ist illegal“, sagen viele.

Polen empört über Moskauer Bericht: Katyns Schatten über Kaczynski

Der russische Abschlussbericht zum Absturz der polnischen Präsidentenmaschine sorgt in Warschau für Empörung. Die Opposition spricht von einer Verhöhnung Polens.

Opposition fordert Untersuchungsausschuss: Schlagabtausch nach Mord in Lodz

Nach der Erstürmung eines Büros seiner Partei und einem Toten erhebt Jaroslaw Kaczynski, Chef der polnischen Nationalkonservativen, schwere Vorwürfe.

Neuer polnischer Päsident vereidigt: Schwieriger Start für Komorowski

Während das neue polnische Staatsoberhaupt sein Amt antritt, belagern fanatische Oppositionsanhänger den Präsidentenpalast. Jaroslaw Kaczynski bleibt der Staatsfeier demonstrativ fern.

Debatte Polens Konservative: Weiter auf Rückwärtskurs

Die Konservativen haben ihre Hasstiraden nur kurz gemäßigt. Jetzt bereiten sie die Schlammschlacht für die Parlamentswahlen im Herbst vor.