taz.de -- Kommentar Duisburg mahnt Blogger ab: Bar jeder Vernunft

Dass Duisburger Blogger der Öffentlichkeit Infos über die Loveparade-Katastrophe zur Verfügung zu stellen, ist erfreulich. Dass die Stadt sie jetzt abmahnt, ist schlichte Sturheit.
Bild: Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland im NRW-Innenausschuss.

Adolf Sauerland versteht die Welt nicht mehr: Immer diese jungen Leute. Erst sterben sie in seiner Stadt, dabei sollten sie doch deren Image aufpolieren. Und jetzt stellen sie auch noch Dokumente ins Netz, die bei der Aufklärung der Katastrophe hilfreich sein können. Aber der Oberbürgermeister weiß sich zu helfen: Stur klebt er an seinem Amtssessel, redet in Interviews nur von seiner Not und beauftragt Anwälte, die besser funktionieren als seine Pressestelle.

Zu seinem Glück finden sich Landgerichte, die ebenfalls finden, dass es die Öffentlichkeit nichts angeht, wie die Stadt Duisburg die Loveparade und damit die Katastrophe vorbereitet hat und ganz im Sinne von Sauerland eine einstweilige Verfügung gegen die Blogger verhängt.

Nicht, dass Sauerland es je in Betracht gezogen hätte, aber der Moment für einen glaubhaften und wirkungsvollen Rücktritt ist längst verpasst. Was Sauerland aber trotzdem langsam begreifen müsste: Er steht im Weg: der Aufklärung, der Beruhigung und der Neuaufstellung der Stadt.

Er sollte endlich seine Geschäfte ruhen lassen und schon gar nicht mit einstweiligen Verfügungen gegen engagierte Bürger um sich schmeißen. Aber er bleibt seiner Strategie treu: Er schadet anderen Menschen, um sich zu profilieren. Für die Blogger ist ein gerichtliches Vorgehen ein finanzielles Fiasko, für den Oberbürgermeister nur ein weiterer Beweis seiner Macht.

Wer letztendlich Schuld ist an dem Tod von 21 Menschen, kann bislang niemand hundertprozentig sagen. Zu verstrickt sind die Vorgänge, zu undurchsichtig das Genehmigungsverfahren, zu widersprüchlich die Aussagen. Dass Blogger es sich zur Aufgabe machen, der Öffentlichkeit Informationen zur Verfügung zu stellen, ist erfreulich, in Zeiten von Wikileaks und Open Data aber keine große Überraschung. Wäre Realitätsverlust ein justiziables Vergehen, das Landgericht Köln würde sich mit Herrn Sauerland beschäftigen müssen.

18 Aug 2010

AUTOREN

Frauke Böger

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