taz.de -- Rettung der Bergleute von San José: Das Wunder von Chile

Auch der letzte der 33 verschütteten Bergleute ist wieder an der Erdoberfläche. Ganz Chile jubelt über die gelungene Rettung. Der Präsident verspricht verbesserten Arbeitsschutz in allen Branchen.
Bild: Luis Alberto Urzúa, der letzte aus der Tiefe geholte Bergmann, freut sich über seine Rettung.

Das Wunder von Chile ist vollbracht. Um 21.55 Uhr Ortszeit stieg der 54-jährige Schichtleiter Luis Alberto Urzúa als letzter der 33 Kumpel aus der Rettungskapsel „Fénix 2“. Bei seiner Ankunft über Tage wurde er von Präsident Sebastián Piñera umarmt. Nach genau 22 Stunden und 39 Minuten war die Bergungsaktion der Bergleute, die seit dem 5. August in knapp 700 Meter Tiefe ausgeharrt hatten, abgeschlossen.

Es war einer, der in diesen Stunden zahllosen bewegenden Momente als sich Urzúa und Piñera in die Augen schauten. "Herr Präsident, ich übergebe Ihnen die Schicht und hoffe, das so ein Unglück niemals wieder geschehen wird," sagte der Bergmann, dem eine wesentlicher Verdienst daran zugesprochen wird, dass die Kumpel in den 69 Tagen so diszipliniert zusammengehalten hatten. "Wir haben getan, worauf die gesamte Welt gewartet hat", sagte Urzua. "Die Tage, die wir so hart gekämpft haben, waren nicht umsonst.

Piñera hielt noch am Schacht seine Dankesrede an die Bergleute, Rettungskräfte und die Nation. "Chile ist heute nicht mehr das gleiche Land wie vor 69 Tagen", sagte er. Das Land sei heute geeinter und stärker und werde in der Welt mehr respektiert und geschätzt. Die Bergleute hätten ein leuchtendes Beispiel für Mut, Loyalität und Kameradschaft gezeigt. Danach rief er "es lebe Chile" und stimmte die Nationalhymne an.

Über dem Zeltdorf Campo Esperanza stiegen 33 Luftballons in den Nationalfarben Rot, Weiß und Blau in den Himmel. Nicht nur bei der Mine, auch im ganzen Land brach ein Freudentaumel los. In der 200.000 Einwohnerstadt Copiapó, knapp 45 Kilometer von der Mine entfernt, herrschte Karnevalsstimmung. Land auf Land ab feierten tausende Menschen auf den Straßen der Städte. In der Hauptstadt Santiago versammelten sich die Menschen auf der Plaza Italia.

Die noch unten verbliebenen sechs Rettungskräfte hielten wenige Minuten nach der Bergung des letzten Kumpels ein Schild in die Kamera. "Mision cumplida. Chile" (Mission erfüllt. Chile), war darauf zu lesen. Die sechs waren nach und nach zur Unterstützung der Bergleute in die Tiefe hinabgelassen worden. Der letzte von ihnen wurde kurz nach Mitternacht um 00.32 Uhr mit der „Fénix 2“ aus dem Schacht gezogen.

Die Rettungsaktion war völlig reibungslos verlaufen weitaus schneller als vorgesehen. Da sich die Rettungskapsel „Fénix 2“ viel weniger im Schacht drehte als zunächst angenommen, waren schnellere Fahrten möglich. Die Kumpel konnten mitunter in einem Abstand von nur 25 Minuten nach oben geholt werden.

Nach ersten Schätzungen sollen sich die Kosten für die Bergung auf umgerechnet knapp 16 Millionen Euro belaufen. Ein Drittel wird von Firmenspenden abgedeckt, die beiden anderen übernimmt der Staat und die staatliche Kupfergesellschaft Codelco, erklärte Piñera. Die Regierung hat jedoch wiederholt versichert, Geld spiele bei der Rettungsaktion keine Rolle.

Am Ende kündigte Präsident Piñera abermals an, dass die Verantwortlichen für das Unglück zu Rechenschaft gezogen werden. „Vom ersten Tag an haben wir gesagt, dass dies nicht unbestraft bleiben wird.“ Aber auch allen Chilenen und der Regierung sei eine große Lektion erteilt worden, so Piñera. Die Sicherheit müsse nicht nur in den Bergwerken, sondern in allen Arbeitsbereichen verbessert werden. „Ich hoffe, dass ich schon in wenigen Tagen einen neue Vereinbarung mit den chilenischen Arbeiterinnen und Arbeitern verkünden kann,“ sagte der Präsident.

14 Oct 2010

AUTOREN

Jürgen Vogt

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