taz.de -- Kommentar Al-Qaidas neue Taktik: Keine Sicherheit ohne Frieden

Nach den vereitelten Frachtanschlägen wird nun wieder eine Diskussion über die ultimative Sicherheit beginnen, von der alle wissen, dass sie eine Illusion ist.

Absender al-Qaida in Jemen, Adressat eine jüdische Gemeinde in Chicago: Der Nahostkonflikt fliegt einmal per Luftfracht um die Welt. Saudi-Arabien rettet jüdische Einrichtungen in den USA, lässt sich die komplizierte Gemengelage in einem Satz zusammenfassen: Denn es war der saudische Geheimdienst, der den entscheidenden Tipp gegeben hat, um die Anschläge zu verhindern. Aber es war wahrscheinlich auch ein Saudi, Ibrahim al-Asiri, der die Paketbomben gebastelt hat. Und womöglich war es auch ein Maulwurf des saudischen Geheimdienstes in den Reihen al-Qaidas, der ihn verpfiffen hat.

Und nun beginnt wieder eine Diskussion über die ultimative Sicherheit, von der alle wissen, dass sie eine Illusion ist. Jeden Container, der über die Weltmeere schippert oder als Luftfracht transportiert wird, zu untersuchen, würde den Welthandel zum Erliegen bringen. Wenn sich Wirtschaftlichkeit und Sicherheit gegenüberstehen, wird es immer einen Kompromiss, sprich eine Sicherheitslücke geben. Und al-Qaida und Co werden diese finden.

Am Ende kann es nur ein Rezept geben: die Schwachstelle auf der anderen Seite auszumachen. Es ist die Instabilität der Nahostregion, die al-Qaida und anderen militanten Islamisten als ideologisches Unterfutter für den Terror dient. Was könnten sie tun, wenn sich Israel aus den besetzten Gebieten zurückzöge, wenn die arabischen Länder normale Beziehungen mit Israel aufnähmen? Den Militanten wäre der Teppich unter den Füßen weggezogen.

Es hat sich einmal mehr gerächt, dass US-Präsident Barack Obama den Nahostkonflikt, trotz gegenteiliger Ankündigungen, auf die lange Bank geschoben hat. Es wird sich noch viele Male rächen.

31 Oct 2010

AUTOREN

Karim Gawhary
Karim El-Gawhary

ARTIKEL ZUM THEMA

Verteidigungsexperte zu Sicherheitslücken: "Drohnen stoppen den Terror nicht"

Um Paketbombenanschläge zu verhindern, sollte Luftfracht nicht mehr in Passagierflugzeugen transportiert werden, meint der schwedische Terrorexperte Magnus Ranstorp.

Paketbomben aus dem Jemen: Saudischer Agent verrät al-Qaida-Pläne

Seine Geschichte würde Stoff für einen Agentenkrimi hergeben: Die Informationen über den geplanten Frachtanschlag stammen von einem saudischen Überläufer.

Anschlagserie in Griechenland: Paketbomben an Botschaften

Am Dienstag sind in Griechenland erneut Paketbomben an verschiedene Botschaften verschickt worden, zwei explodierten. Als Täter werden Linksextremisten vermutet.

Bomben im Gepäck der Luftfracht: Totale Kontrolle ist unmöglich

Die abgefangenen Paketbomben aus dem Jemen waren funktionsfähig. Sicherheitsexperten fordern mehr Geld, doch vollkommene Sicherheit kann es nicht geben.

Jemens Kampf gegen Al-Qaida: Chaotische Verhältnisse in Sanaa

Das Al-Qaida-Netzwerk im Jemen gilt als das stabilste der Welt. Das Land braucht Hilfe bei seiner Bekämpfung, Präsident Abdallah Saleh lehnt jedoch Einmischung von Außen ab.

Vereitelte Flugzeug-Anschläge: Krieg gegen den Paketterror

Nach Bombenfunden in Frachtflügen herrscht Sorge in Deutschland, Großbritannien und den USA. Bundesinnenminister Thomas de Maizière räumt Versäumnisse ein.