taz.de -- Krise bei Schalke 04: Felix Magath, der Visionär des Jahres
Schalkes Trainer, Sportchef und Vorstand Felix Magath steht in der Kritik. Doch abseits des Sports erweist er sich als Sozial- und Rentenreformer des Jahres.
Es wäre komplett falsch, zu behaupten, dass Felix Magath ein Trainer sei, der die Mechanismen des Geschäfts nicht begriffen hat. Das hat er, Krise hin oder her, sehr gut, vielleicht sogar besser als jeder andere.
So hat er sich in Schalke eine Position geschaffen, die in der Bundesliga ihresgleichen sucht. Niemand ist mächtiger als Felix Magath - er ist nicht nur Trainer und Sportchef in Personalunion, er ist zudem auch noch Mitglied eines Vorstandes, in dem der einzige, dem so etwas wie Sachverstand zugetraut wird, er selber ist. Wenn das mal nichts ist.
Deshalb dürfte es schwierig sein, den Mann zu entlassen. Denn wer in aller Welt soll denn seinen Nachfolger aussuchen - wenn nicht er selbst. Zwar gibt es den einen oder anderen, der auf die Verpflichtung des ehemaligen Stuttgarter Managers Horst Heldt verweist, doch von dem weiß niemand so wirklich, was er eigentlich auf Schalke soll. Manche wenden ein, Heldt sei so etwas wie die Lebensversicherung von Klubchef Clemens Tönnies - für den Fall, dass Magath irgendwann völlig außer Rand und Band gerät.
Die aktuelle Saison legt manchmal zumindest den Schluss nahe, dass es bald so weit sein könnte. Denn Magath hat nicht nur eine Personalrochade in Gang gesetzt, die der Mannschaft ihre Substanz genommen hat. Er hat auch den einen oder anderen älteren Herrn ins Boot geholt, der anderswo nicht mehr zum Zuge gekommen wäre: Christoph Metzelder ist auf dem Weg zum jüngsten Fußballpensionär der Republik. Und auch Raul ist einer von jenem Kaliber, deren pekuniär aufgewogenes Gnadenbrot außerhalb Gelsenkirchener Stadtgrenzen wohl nur wenige zu zahlen bereit gewesen wären.
Doch das ist nicht nur großzügig. Es ist in Zeiten eines Turbokapitalismus, dessen Auswüchse den Fußball längst in aller Form erfasst haben, eine geradezu revolutionäre Herangehensweise, geprägt von einer Sozialromantik, die es im Fußball sonst gar nicht mehr gibt. Hier gönnt einer nicht nur sich selber - sondern auch den anderen.
Das ist eine vertrauensbildende Maßnahme für diejenigen, die sich dem Fußball-Rentenalter allmählich annähern. Und nebenbei der Beleg, dass Magath kein Korinthenkacker ist: Denn Manager und Trainer verdienen beim Vorstandsmitglied wohl prächtig und die alten Herren auch.
Dass er sich selbst am nächsten ist, belegt allerdings auch die angeblich exorbitante Höhe des ausgehandelten Salärs: In Zeiten des schwindenden Kündigungsschutzes hat Magath ein Modell geschaffen, das jeden Arbeitgeber vor der Macht des Angestellten erschaudern lässt. Und so ist Felix Magath im erfolglosen Herbst 2010 trotzdem eines: der Arbeitsmarktvisionär des Jahres.
1 Nov 2010
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