taz.de -- Kommentar Berliner Wasserskandal: Wasser braucht jeder
Der Berliner Wasserskandal zeigt, was passiert, wenn der Staat die Daseinsversorgung aus der Hand gibt. Vor allem die Grünen sind nun gefordert.
Der Staat kann nicht besser wirtschaften als Privatunternehmen. Darum sollte er sich weitgehend darauf beschränken, harte Regeln vorzugeben und die genau zu überwachen. Doch das funktioniert nur dann, wenn Unternehmen im Wettbewerb stehen - nur dann lohnt es sich für sie, effizient zu arbeiten. Nur dann müssen sie mit günstigen Preisen um ihre Kunden konkurrieren.
Doch das Beispiel der Berliner Wasserbetriebe zeigt, dass es wichtige Bereiche der Wirtschaft gibt, die niemals privatisiert werden dürfen: Monopole auf die Daseinsvorsorge. Die Wasserversorgung einer Stadt ist so ein Monopol. Jeder braucht Wasser, aber nur einer kann es liefern. Denn anders als beim Strom wird man seinen Wasseranbieter nie frei wählen können: Man kann Wasser einfach nicht so leicht transportieren.
Wenn ein privater Anbieter erst einmal Zugriff auf ein solches Monopol hat, braucht er keine Rücksicht mehr zu nehmen und kann seine Preise - und damit seine Gewinne - fast nach Belieben erhöhen. Auch das zeigt das Beispiel Berlin: Das Land hat solche Gewinnerhöhungen erlaubt, um beim Verkauf des Unternehmens mehr Geld zu erlösen. Mit den auf diese Weise einmalig erzielten Einnahmen hat die Landesregierung sich öffentlich gebrüstet. Doch die Klauseln, mit denen der Erfolg erkauft wurde und die zu einem starken Anstieg des Wasserpreises führten, blieben geheim. Wer seine Daseinsvorsorge aus der Hand gibt, der hat schon verloren - das ist die Botschaft, die von Berlin ausgeht und die weit über die Hauptstadt hinausstrahlt.
Überdies erinnert der Wasserskandal stark an den Berliner Bankenskandal: Auch dort erhielten die Käufer von Immobilienfonds garantierte Renditen zugesichert - egal, wie stark die Mieteinnahmen der Objekte wirklich flossen. Jetzt müssen sich die Grünen positionieren, die laut den Umfragen die Landtagswahlen in einem Jahr gewinnen können. Sie haben den Verkauf der Wasserbetriebe aus der Opposition heraus stets bekämpft. An diesem Freitag wird Renate Künast verkünden, dass sie als Bürgermeisterkandidatin antritt. Dann muss sie auch die Frage beantworten, wie die Grünen es mit der Wasserfrage halten. Wenn sie es ernst meinen, müssen sie auch bereit sein, Geld in den Rückkauf der Wasserbetriebe zu investieren. Nur so ist gesichert, dass Konzerne nicht weiter Gewinne mit dem lebensnotwendigen Gut Wasser machen.
1 Nov 2010
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Die bisher unter Verschluss gehaltenen Verträge über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe sind vom Senat nun veröffentlicht worden.
Die taz-Enthüllung der Berliner Wasserverträge zeigt: Verkaufen Kommunen an Private, verlieren meist die Bürger. Doch oft haben die Gemeinden gar keine andere Wahl.
Kampf um kommunalen Besitz: Nicht nur in Berlin steht der Verkauf der Wasserbetriebe stark unter Beschuss. Auch anderswo wollen Bürger die Hoheit über ihre Stadtwerke zurück.
Dieter Hüsgen von Transparency International Deutschland fordert von Regierungen die Offenlegung von langjährigen Verträgen. Das sei ein Gebot der Demokratie.
Insgesamt 84 Millionen Euro zu viel im Jahr zahlen die Berliner für ihr Wasser. Die Tarife sind rechtswidrig, wer als Kunde weniger zahlen will, muss jedoch vor Gericht ziehen.
Geheime Verträge zeigen: Berlin hat bei der Privatisierung seiner Wasserbetriebe den Käufern hohe Gewinne garantiert – auf Kosten der Verbraucher. Die taz stellt die Verträge ins Netz.