taz.de -- Bürgermeisterwahl in Sachsen-Anhalt: NPD-Mann will ins Rathaus

Gibt es bald einen braunen Bürgermeister in Sachsen-Anhalt? Bei der Wahl am Sonntag hat ein NPD-Kreisrat durchaus Chancen, Bürgermeister einer Kleinstadt zu werden.
Bild: Will erster NPD-Bürgermeister werden: Lutz Battke.

DRESDEN taz | Unter gewöhnlichen Umständen würde die Wahl eines ehrenamtlichen Bürgermeisters in einer Kleinstadt von 3.200 Einwohnern höchstens in der Regionalpresse registriert. Im sachsen-anhaltischen Laucha aber kandidiert ein Mann für die NPD, der schon überregional für Schlagzeilen sorgte:

Dem Bezirksschornsteinfegermeister Lutz Battke, Jahrgang 1958, wollte die Landesregierung wegen seiner rechtsextremen Gesinnung die Lizenz entziehen. Sie scheiterte. Nun stellt der NPD-Stadt- und Kreisrat sich am Sonntag neben zwei Einzelbewerbern zur Bürgermeisterwahl.

Battke, ein Mann mit langer, schütterer Vokuhila-Mähne, spricht auf seiner Internetseite selbst von einer Beachtung "weit über die Grenzen Lauchas hinaus". Im Sommer hatte der zuständige Wirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU) vor dem Verwaltungsgericht Halle bei dem Versuch, Battke seine Kehrgenehmigung zu entziehen, eine Niederlage erlitten. Der Schornsteinfeger und die NPD, der er formal nicht angehört, triumphierten.

Die Affäre ging in eine zweite Runde, als im August dieses Jahres der Olympische und der Landessportbund Druck auf den Sportverein BSC 99 Laucha ausübten, Battke auch als ehrenamtlichen Fußballjugendtrainer zu entlassen. Einer der Jugendfußballer hatte im April einen 17-jährigen Israeli als "Judenschwein" beschimpft und zusammengeschlagen. Diesen Hinauswurf unterlief der Verein aber teilweise. Mitte August kam es zu einer NPD-Demonstration für Battke und einer Gegendemo der Lauchaer Bürger.

Die jetzige räumliche und zeitliche Nähe der Lauchaer Bürgermeisterwahl zum NPD-DVU-Vereinigungsparteitag am Sonnabend sei "reiner Zufall", behauptet ein NPD-Sprecher in Dresden. Wohl sei der Parteitag bewusst nach Sachsen-Anhalt gelegt worden, wo im März 2011 gewählt wird. Der Termin habe aber längst festgestanden, bevor der bisherige Lauchaer Bürgermeister unerwartet resignierte.

In der Verwaltung der Verbandsgemeinde Unstruttal, zu der Laucha gehört, räumt man Battke Außenseiterchancen ein. Seine Kandidatur sei eine Trotzreaktion, meint ein Mitarbeiter, und ein Teil der Einwohner reagiere womöglich ähnlich. Denn der bodenständige Battke genießt bis in die Mitte der Bürgerschaft hinein eine gewisse Popularität.

Tsipi Lev, aus Israel eingewanderte Mutter des jugendlichen Fußballopfers, hält Battkes Kandidatur für einen "großen Skandal, nicht nur für die Lauchaer, sondern für die Demokratie". Sie hofft, "dass die Lauchaer aufstehen" und vor allem zahlreich zur Wahl gehen. "Für mich ist Battke der Letzte, und bekäme er eine Mehrheit, wäre es der Anfang des Endes von Laucha."

5 Nov 2010

AUTOREN

Michael Bartsch

ARTIKEL ZUM THEMA

NPD-Parteitag in Hohenmölsen: Drinnen Fusion, draußen Protest

Die NPD hat den Zusammenschluss mit der DVU abgenickt. Die bringt nun kaum Mitglieder, aber nötiges Geld mit. Auf der Straße demonstrierten derweil Hunderte gegen die Rechten.

Holocaust-Leugnung im Netz: Ermittlungen gegen NPD-Funktionär

Als "Saxus" soll Tino Felgner auf dem Naziportal "Thiazi.net" den Holocaust geleugnet haben. Die Staatsanwaltschaft beruft sich bei ihren Ermittlungen auf Infos aus einem Antifa-Hack.

NPD-Politiker Pastörs: Urteil wegen Volksverhetzung bestätigt

"Es geht um rechtsradikale Hetze": Das Saarbrücker Landgericht hat die Verurteilungen des NPD-Funktionärs Udo Pastörs wegen Volksverhetzung bestätigt. Dieser berief sich auf Thilo Sarrazin.

Revisionsprozess in Saarbrücken: NPD-Kader will weiter hetzen dürfen

NPD-Mann Udo Pastörs sprach von "Judenrepublik" und türkischen "Samenkanonen" und wurde dafür in erster Instanz verurteilt. Am Dienstag beginnt die Berufungsverhandlung.

Kreistagsmitglied leugnet Holocaust: Antifa stellt NPD-Mann bloß

Im sächsischen Kreistag gibt sich der Tino Felgner von der NPD bieder. Im Internet träumt er nach Informationen der Antifa Freiburg vom Mord an "Volksverrätern".

Etablierte Rechtsextreme in Anklam: Die Stadt ohne Zeugen

In Anklam herrscht Angst vor den Rechten. Viele Bürger wären froh, wenn die Stadt ihr braunes Image los würde, doch sie scheuen das offene Engagement.