taz.de -- Kommentar Eurokrise: Das zentrale Missverständnis
Die aktuelle Euro-Krise zeigt: Die deutsche Finanzpolitik agiert ungeschickt. Noch größer ist jedoch das Problem, dass Politik und Finanzwelt einander nicht verstehen.
Die irische Regierung hat sich verhoben. Sie kann die versprochene unbegrenzte Garantie auf die Spekulationsmilliarden bei ihren Banken nicht einhalten. Vor allem Deutschland will nicht bedingungslos aushelfen. Deshalb sehen die Banker das gesamte europäische Währungssystem in Gefahr: Wenn die Garantie für die investierten Milliarden fiele, würden lawinenartig hunderte Milliarden Euro abgezogen. Die Hälfte der Euroländer stünde vor dem Bankrott.
Die Deutschen mit ihrer Sparwut als Ausgangspunkt einer Riesenkrise? Wahr ist, dass die deutsche Finanzpolitik ungeschickt agiert: Sie macht Alleingänge; und sie will bis 2013 für den EU-Rettungsschirm bezahlen, dann aber nicht mehr. Das ist eine Einladung an die Spekulanten aller Länder, bis dahin jeden Schwachpunkt im Eurosystem auszutesten. Hauptproblem aber ist nicht die deutsche Politik, sondern das offensichtliche Missverständnis zwischen den Welten der Politik und der Finanzgiganten.
Die Banken fürchten einen Schock für das Kapitalsystem, wenn die Pleitekandidaten Europas auch wirklich pleitegehen. Aber sie verstehen nicht, welchen Stresstest für das politische System sie mit ihren Forderungen verursachen. Der Steuerzahler soll weitere hunderte Milliarden Euro an die Banken und deren reiche Anleger zahlen - ein politischer Irrsinn. Über kurz oder lang müssten alle Staaten dann so sparen, wie Griechenland oder Großbritannien es jetzt schon tun.
Solche Vorschläge gefährden die Demokratie und zerstören den Staat, wie wir ihn kennen. Sie sind viel gefährlicher als etwa ein Widerruf der Vollkasko-Garantie für die irischen Banken oder eine Staatspleite. Diese politische Wahrheit muss offen auf den Tisch: dann können sich Banken und Anleger darauf einstellen.
18 Nov 2010
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