taz.de -- Kommentar Flüchtlingsdrama: Australisches Armutszeugnis

Der Zynismus der australischen Flüchtlingspolitik besteht darin, dass mehr als 90 Prozent aller Flüchtlinge, die doch dorthin gelangen, legal im Land bleiben dürfen.

Das klassische Einwanderungsland Australien hat in den letzten zwanzig Jahren mit die höchsten Hürden aufgebaut, um Boatpeople von seinem Territorium abzuschrecken. Das beeindruckt die aber nicht, sondern hat nur den Preis an Leben und Geld angehoben. Je höher die Hindernisse desto höher die Risiken der Flucht - und desto mehr sind die Flüchtlinge auf professionelle, kommerzielle und skrupellose Helfer angewiesen: Menschen aus Iran, Irak, Afghanistan und Sri Lanka können ohne Schlepperdienste kaum noch nach Australien gelangen.

Der von Canberra gewünschte offizielle Weg - im Heimatland Asyl zu beantragen - ist meist nicht weniger riskant als die Flucht in brüchigen Booten übers stürmische Meer. Somit sind Tragödien wie diese, die nicht die erste war und die es ähnlich auch vor den EU-Außengrenzen im Mittelmeer oder den Kanarischen Inseln gibt, leider absehbar. Der Zynismus der australischen Flüchtlingspolitik besteht darin, dass mehr als 90 Prozent aller Flüchtlinge, die doch dorthin gelangen, legal im Land bleiben dürfen.

Dass sich dieses Ergebnis, welches die Schutzbedürftigkeit der Flüchlinge unterstreicht, nicht ohne riskante Überfahrten und Schlepper erzielen lässt, ist ein Armutszeugnis. Es kommt noch eine rassistische Note hinzu: Jährlich tauchen Hunderte von legal eingeflogenen Touristen aus Industrieländern in Australien unter. Es wird von Canberra viel weniger getan, um sie aufzuspüren, als Boatpeople aus armen Staaten abzuschrecken.

Zugleich zeigt die Tragödie erneut, dass auch jenseits von Australien die internationale Zusammenarbeit zum Schutz bedrohter Menschen mangelhaft ist und Flüchtlinge mehr Vertrauen in Fluchthelfer haben als in UN-Organisationen oder Konsularbeamte.

15 Dec 2010

AUTOREN

Sven Hansen

ARTIKEL ZUM THEMA

Flüchtlingsboot vor Australien gesunken: Geht doch nach Nauru!

Ein Flüchtlingsboot ist an den Klippen vor der australischen Weihnachtsinsel zerschellt und gesunken. Trotz geringer Flüchtlingszahlen schottet sich das Land rigide ab.

Flüchtlingsboot vor Australien gesunken: Tödliche Klippen

Ein Flüchtlingsboot ist an den Klippen vor der australischen Weihnachtsinsel zerschellt und gesunken. Dutzende Menschen sind dabei ertrunken. Es gab nur zwei Rettungsboote an Bord.