taz.de -- Deutschland bietet wenig Anreize: Exodus der Bildungsausländer

Viele ausländische Studierende würden gern in Deutschland bleiben. Doch wegen bürokratischer Hürden und politischer Debatten tun das nur wenige.
Bild: Die Zahl ausländischer Studierender an deutschen Unis wächst - aber nach dem Abschluss bleiben nur wenige.

Karolina Kozikowska macht sich Gedanken über ihre Zukunft. Die 22-jährige Polin lebt seit vier Jahren in Deutschland, studiert und arbeitet nebenher für ihren Lebensunterhalt. In einem Jahr wird sie Entscheidungen treffen müssen. Ihr Studium geht zu Ende, und wo sie danach arbeiten möchte, hängt auch von Deutschland ab. Eigentlich will sie hier bleiben, doch das ist nicht so einfach.

Karolina Kozikowska ist eine von vielen. Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen einen stetigen Anstieg der Zahlen ausländischer Studierender an deutschen Universitäten. Momentan machen sie rund 12 Prozent eines Jahrgangs aus. Oft sind sie sogenannte Bildungsausländer, also Menschen, die ihr Abitur im Ausland erworben haben. Zu einem großen Teil stammen die Studenten und Studentinnen aus Osteuropa und aus Asien.

Ein Studium in Deutschland gilt als Plus im Lebenslauf: Den meisten geht es darum, durch den Studienaufenthalt ihre Berufschancen zu verbessern, zeigen Ergebnisse der letzten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Doch nach dem Abschluss in Deutschland arbeiten, das tun die wenigsten. Nach aktuellen Schätzungen der OECD schaffen dies nur etwa 21 Prozent. Über drei Viertel der begabten Absolventen verlassen also wieder das Land.

Auch Karolina Kozikowska hat ihr Abitur im Ausland gemacht, in einer mittelgroßen polnischen Stadt. Danach entschloss sie sich, in Deutschland zu studieren, Skandinavistik und Russisch - in Berlin. "An Berlin gefällt mir, dass es eine multikulturelle Stadt ist. Das ist mir wichtig", sagt die Studentin. "Alle Ausländer über einen Kamm zu scheren, überhaupt zu pauschalisieren wie in vielen aktuellen Debatten, das ist falsch."

Kozikowska ist mobil und redegewandt, Interesse und Neugier haben sie nach Deutschland geführt, obwohl dies mental und sprachlich eine Herausforderung war. Wenn sie ihren Master-Abschluss hat, will sie erst mal ein Jahr nach Russland. "Einen anderen, einen russischen Blick, auf die deutsch-russischen Beziehungen zu erhaschen, das ist mein Ziel. Danach will ich eigentlich nach Deutschland zurück und hier arbeiten", sagt die Studentin.

Doch dies ist nicht so einfach. Zunächst erschweren administrative Hindernisse die Jobsuche. "Ausländische Studenten hatten auch in der Krise nur eine einjährige Frist zur Suche eines angemessenen Arbeitsplatzes", kritisiert Johannes Glembek vom Bundesverband ausländischer Studierender (BAS). "Das macht es nicht leichter."

Nach wie vor zeigen sich auf dem Arbeitsmarkt zudem die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Aber auch politische Debatten spielen laut Glembek eine Rolle. "Wer sich hier nicht willkommen fühlt, wird nach dem Abschluss nicht bleiben wollen", sagt der BAS-Experte. Nicht zuletzt die aktuelle Debatte über "Integrationsunwillige" beeinflusse ausländische Nachwuchskräfte bei der Ortswahl.

"Länderübergreifend gibt es auch Studierende, die ganz klar sagen, dass sie wegen des politischen Klimas nicht mehr in Deutschland bleiben wollen", sagt Glembek. Karolina Kozikowska glaubt nicht, dass sie in Deutschland bleibt. "Finanziell bietet Deutschland wenig Anreize, und einen sicheren Job bekomme ich hier schon lange nicht." Sie überlegt jetzt, nach ihrem Abschluss nach Schweden oder Belgien zu gehen. "Dort habe ich es einfacher."

29 Dec 2010

AUTOREN

Schulz

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