taz.de -- Verfassungsrechtler über Polizeireform: "Es schadet der Effizienz"
Der Verfassungsrechtler Felix Hanschmann befürchtet im Interview, dass die geplante Fusion von Bundeskriminalamt und Bundespolizei etliche Nachteile mit sich bringt.
taz: Herr Hanschmann, Bürgerrechtler kritisieren derzeit, der Bundesinnenminister wolle sich durch die geplante Verschmelzung von BKA und Bundespolizei eine Art "deutsches FBI" schaffen. Steht uns für das Jahr 2011 eine ähnlich scharfe politische Auseinandersetzung bevor wie zuletzt um das BKA-Gesetz?
Felix Hanschmann: Es geht zwar wieder einmal um einen Machtgewinn für die Sicherheitsbehörden des Bundes, aber es ist doch ein kleiner Schritt im Vergleich zu dem, was in den vergangenen Jahren alles gemacht wurde.
Wieso ist es überhaupt ein Machtgewinn? Innenminister Thomas de Maizière will nur zwei Behörden zusammenlegen, die ohnehin schon ihm unterstehen.
Beide Seiten, BKA und Bundespolizei, haben jeweils nur beschränkte Kompetenzen - wenn sie aber zusammengelegt werden, dann füllen sie gegenseitig ihre Kompetenzlücken auf. Anders ausgedrückt: Es werden zwar "nur" bestehende Kompetenzen addiert, aber in der Praxis gewinnen alle Beamten Macht, die sie vorher nicht hatten.
Was ist verkehrt daran, wenn der Bundesinnenminister seine Kräfte bündelt?
Die Bündelung von Kräften ist kein Selbstzweck. Zum einen muss man immer sehen, ob nicht Kräfte gebündelt werden, die man gar nicht bündeln darf. Zum anderen ist Polizei eigentlich Ländersache - aus gutem Grund. Und je mächtiger die Polizei des Bundes wird, desto weiter entfernen wir uns in Deutschland von diesem Verfassungsgrundsatz.
Ist das ein Grundsatz für die Ewigkeit? Auch andere Demokratien haben schließlich eine zentrale Bundespolizei.
Sicher, eine Bundespolizei, wie etwa das FBI, ist natürlich nicht per se rechtsstaatswidrig. Aber die Aufteilung des Polizeiapparates in 16 unabhängige Ländersektionen wie in Deutschland hat einen wichtigen Vorteil für die Bürger. Und den sollten wir uns nicht so einfach nehmen lassen. Eine überschaubare, lokale Polizei ist rechtsstaatlich besser kontrollierbar als eine mächtige Zentralpolizei.
Andererseits ist eine zentralisierte Polizei vielleicht effizienter.
Das bezweifle ich. Ein Nebeneinander von Landes- und Bundespolizei führt eher zu Kompetenzüberschneidungen. Das schadet der Effizienz. Bei der Suche nach dem entführten Hanns Martin Schleyer 1977 sind auch wegen solcher Unklarheiten die entscheidenden Hinweise verloren gegangen. Die Lektion war damals, die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern klarer zu trennen.
Könnte das Bundesverfassungsgericht de Maizières Plänen für eine "Superpolizei" in die Quere kommen?
Unwahrscheinlich. Das Gericht hat aber öfters klargestellt, dass die Bundespolizei nicht zu mächtig werden darf, weil die Polizei laut Grundgesetz Ländersache ist.
Gegen das neue BKA-Gesetz von 2009 sind noch immer Verfassungsbeschwerden anhängig. Aus Karlsruhe hört man seit einem Jahr nichts dazu.
Man wird die Entscheidung mit Spannung erwarten dürfen. Denn wenn wir über eine ungute Machtkonzentration bei den Sicherheitsbehörden des Bundes sprechen, ist das neue BKA-Gesetz viel verheerender als die geplante Zusammenlegung von BKA und Bundespolizei. Das BKA-Gesetz hat nicht bloß Grenzen zwischen zwei Polizeibehörden eingerissen, sondern es hat die wesentlich wichtigeren Grenzen zwischen der Polizei und den Geheimdiensten eingerissen.
Das neue BKA-Gesetz ist jetzt seit zwei Jahren in Kraft. Haben sich die Befürchtungen, es entstehe eine mächtige "Bundesgeheimpolizei", bewahrheitet?
Die Frage kann man nur schwer beantworten, weil wir kaum etwas erfahren! In welchem Umfang und in welchen Fällen sind zum Beispiel die geheimen Onlinedurchsuchungen, die dem BKA seit 2009 erlaubt sind, durchgeführt worden? Wir wissen es nicht. Das ist das Problem dieser neuen, geheimen Maßnahmen. Eine rechtsstaatliche Kontrolle ist kaum möglich.
30 Dec 2010
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