taz.de -- Machtkampf in der FDP: Schuldige ausfindig gemacht
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger steht in der Kritik. Sie setze der Union zu wenig entgegen. Medienberichten zufolge könnte sie bald abgesetzt werden.
STUTTGART taz | Birgit Homburger kann nachempfinden, wie sich Guido Westerwelle fühlt. Auch die Vorsitzende der Bundestagsfraktion muss sich herber interner Kritik erwehren. Viele FDP-Leute machen insbesondere sie für das schlechte Bild der Partei verantwortlich. Auch die demonstrative Einigkeit auf dem Dreikönigstreffen kann das nicht verdecken.
Kurz vor dem Beginn des politischen Jahres der FDP hatte die Bild-Zeitung gemeldet, die Parteiführung plane Homburgers Entmachtung. "Einflussreiche FDP-Kreise" planten, die 45-Jährige durch Generalsekretär Christian Lindner oder durch den neuen Landesvorsitzenden in NRW und Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Daniel Bahr, zu ersetzen. Homburger, so die hinter vorgehaltener Hand geäußerte Kritik, setze den Gesetzesinitiativen der Union zu wenig entgegen.
Homburger ist auch nach mehr als einem Jahr auf ihrem Posten vergleichsweise unbekannt. Am Rande des Landesparteitags der baden-württembergischen FDP trat Homburger Spekulationen über ihre baldige Absetzung entgegen: Es bringe nichts, Führungspersonal gegeneinander auszuspielen. Die FDP-Bundestagsfraktion sei ein stabilisierender Faktor in dieser Koalition. "Und das ist auch mein Erfolg." Auf dem Dreikönigstreffen bleibt bei dieser Rollenverteilung zwischen Staatsmann Westerwelle und Angreifer Lindner für Homburger nur, den Gegensatz zwischen FDP und Grünen herauszustellen.
Jedenfalls könnte ihre Zeit als Fraktionschefin bald abgelaufen sein. Die erstarkenden Jungen in der FDP-Führung drängen auf mehr parteiinterne Macht. Zu dieser Riege zählt neben Lindner und Bahr auch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Gemeinsam veröffentlichten sie am Tag vor Dreikönig in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Aufsatz mit dem Titel "Jetzt erst recht", in dem sie ihren Machtanspruch deutlich machen.
Damit wenden sie sich nicht nur gegen Homburger, sondern vor allem gegen Rainer Brüderle als möglichen nächsten Parteivorsitzenden. Sollte Westerwelle auf dem Bundesparteitag im Mai wiedergewählt werden, werden die Jungen noch stärker auf einen Sturz Homburgers drängen.
6 Jan 2011
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Wie schwerwiegend ist der Zwist in der Regierung? Der FDP-Aufsteiger Christian Lindner drohte mit Koalitionsbruch. Jetzt kehrt man die Scherben zusammen.
Die FDP benötigt Westerwelle noch als Sündenbock, sagt der Erfinder der "Strategie 18", Fritz Goergen. Parteichefs werden überschätzt, findet Grünen-Politiker Ströbele.
Die Erfolgsbilanz, die Westerwelle in Stuttgart präsentierte, ist gefälscht. Die FDP hat so ziemlich alles falsch gemacht. Und Westerwelle ist ein Chef auf Abruf.
Der angeschlagene Guido Westerwelle spart sich die Selbstkritik. Und hat eine neue Rolle für die FDP: sie soll linke Mehrheiten verhindern. Lindner attackiert die Grünen.
Menschenwürde, Fortschritt, Reform des Kapitalismus - wie die FDP 1971 in ihren Freiburger Thesen den Liberalismus definierte. Eine Dokumentation.
Die Chefin von FDP-Fraktion und Landesverband Baden-Württemberg muss Parteichef Westerwelle den Rücken frei halten. Die Basis kocht. Und ob der Spagat gelingt, ist offen.