taz.de -- Jugendrevolte in Tunesien: Krawalle trotz Ausgangssperre

In Tunis ist es ungeachtet einer Ausgangssperre in mehreren Armenvierteln zu Krawallen gekommen. In der Nacht beruhigte sich die Lage wieder etwas.
Bild: Die Armee patroulliert inzwischen in tunesischen Städten wie hier in Ettadhamen.

PARIS dpa | In mehreren Armenvierteln von Tunis ist es trotz einer Ausgansgsperre am Mittwochabend zu schweren Krawallen mit zahlreichen Verletzten gekommen. Nach unbestätigten Berichten gab es erneut Tote, doch war eine Überprüfung dieser Informationen bisher nicht möglich. Krankenwagen fuhren mit heulenden Sirenen durch die Stadt, mehrere Polizeiwachen wurden in Brand gesteckt. In den Straßen waren bis spät in den Abend Schüsse zu hören. Unklar war, ob Tränengas- Granaten oder scharfe Munition verschossen wurde.

Die Demonstranten hätten die Abdankung des autokratischen Langzeitpräsidenten Zine el Abidine Ben Ali gefordert und ihn und seine Familie verunglimpft, berichteten Gewerkschaftssprecher. Auch aus anderen Teilen des Landes gab es Berichte über erneute Krawalle. In der rund 450 Kilometer von Tunis entfernten Stadt Gafsa soll die Polizei nach Angaben von Augenzeugen vor den Demonstranten geflohen sein. Mehrere Geschäfte seien geplündert worden.

Ben Ali hatte am Mittwoch den Innenminister gefeuert und verkündet, inhaftierte Demonstranten freizulassen. Zum Schutz wichtiger Gebäude marschierten Soldaten auf. Der seit Mitte Dezember anhaltende Protest gegen die hohe Arbeitslosigkeit hat sich mittlerweile zu einer regimekritischen Massenbewegung in diversen Orten des Landes ausgeweitet. Bei den Opferzahlen der Krawalle gehen die Angaben weit auseinander. Die Regierung sprach am Dienstagabend von 21 Toten, Gewerkschafter gehen von 50 Toten seit dem Wochenende aus.

In Douz im südlichen Teil des Landes sollen am Mittwoch mindestens vier Menschen bei Ausschreitungen ums Leben gekommen sein. Unter den Toten ist nach französischen Medienberichten auch ein franko-tunesischer Universitätsdozent, der Urlaub in seiner Heimat machte.

13 Jan 2011

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Tunesien: Ein Sieg der mutigen Tunesier

Die vorgezogene Neuwahl ist ein Sieg über Tyrannei, Zynismus und Korruption. Auffällig ist, dass europäische Politiker zu den Zuständen in Tunesien hartnäckig schweigen.

Regierungskrise in Tunesien: Panzer am Flughafen

Der autoritäre Langzeit-Präsident Zine el Abidine Ben Ali hat die tunesische Regierung aufgelöst. Inzwischen hat Ben Ali den Ausnahmezustand verhängt, die Arme kontrolliert den Flughafen.

Demos trotz Zugeständnissen Ben Alis: "Danke, aber es reicht"

Tunesiens Staatschef Ben Ali will zwar nicht mehr kandidieren, doch den Demonstranten reicht es nicht. In Tunis versammeln sich inzwischen tausende Menschen, um ihn zum Rücktritt zu zwingen.

Proteste in Tunesien: Ettadhamen brennt

Trotz der Mittwoch verhängten Ausgangssperre halten die Unruhen in Tunis an. Im Vorort Ettadhamen kam es zu systematischen Plünderungen. Die Polizei war geflohen.

Tunesiens Präsident: Der Langzeit-Diktator

Mit eiserner Faust regiert Tunesiens Langzeitpräsident Zine El Abidine Ben seit 1987 das Land. Der Aufstieg des militärischen Hardliners war unaufhaltsam.

Jugendproteste in Tunesien: Zwitschern gegen Zinochet

Die tunesische Opposition informiert und vernetzt sich dank Twitter, Blogs und Videoportalen. Das Regime kommt dagegen nicht an. Vier Blogger wurden verhaftet.

Revolte im Maghreb: Jung, chancenlos und verdammt wütend

Mal wieder entlädt sich die Wut junger Tunesier und Algerier in spontanen Revolten. Doch nie waren die Aufstände so groß wie jetzt.

Jugendrebellion in Nordafrika: Die Wut von 23 Jahren

Trotz des gewalttätigen Vorgehens von Polizei und Armee dauert die Jugendrebellion in Tunesien an. Augenzeugen berichten der taz von bürgerkriegsähnlichen Zuständen.