taz.de -- Psychoanalyse: "Der arabische Mann ist gescheitert"

Der Aufstand in Tunesien könnte auf andere arabische Länder ausweiten. Es sind die jungen Männer, die nun gegen ihre gescheiterten Väter rebellieren, sagt der Psychoanlaytiker Gehad Mazarweh
Bild: Wut auf die Väter? Tunesier bei einer Demonstration am 18. Januar

Die arabische Welt ist in Bewegung gekommen. Nachdem das tunesische Volk ihren Ex-Diktator Ben Ali aus dem Amt gejagt hat, fürchtet die Arabische Liga nun weitere Unruhen. Der Aufstand in Tunesien sei nicht nur eine Rebellion gegen einen autoritären Polizeistaat, sondern auch eine Revolte der Jugend der arabischen Welt gegen ihre Väter, sagt der Freiburger Psychoanalytiker Gehad Mazarweh im sonntaz-Gespräch. Mazarweh hält den Kämpf für den einzigen Weg, um sich von der Unterdrückung zu befreien. "Ansonsten ist die soziale Katastrophe in der arabischen Welt vorprogrammiert."

Doch worin besteht der Konflikt zwischen den beiden Generationen? Mazarweh, der seit 1976 eine psychoanalytische Praxis leitet, ist überzeugt, dass die Väter der arabischen Welt versagt und ihre Vorbildfunktion verloren haben. "Die Jugendlichen kommen in meine Praxis voller Hass auf ihre unfähigen Väter." Denn die würden sich nicht wehren gegen Unterdrückung und Korruption. "Der arabische Mann ist in vielen Lebensbereichen gescheitert. 380 Millionen Araber mit einem unvorstellbaren Reichtum und mindestens 30 Prozent davon übernachten hungrig."

Der Psychoanalytiker sagt, dass auch der Terrorismus eine Folge des Konflikts zwischen den Vätern und ihren Söhnen sei. "Da sie ihren Vater nicht überwinden können, verschieben sie ihre Aggressivität nach außen", sagt Mazarweh. "Ich hoffe, dass man in Deutschland endlich begreift, dass diese Gewaltterroristen, diese Scheintäter gegen ihre gescheiterten Väter rebellieren.

Gehad Mazarweh glaubt, dass er mit Freuds Lehre des Unterbewussten die arabische Psyche erreichen kann und plädiert für eine revolutionäre Psychoanalyse, die den Menschen hilft, sich zu befreien. "Aber in den nächsten jahren brauchen wir in der arabischen Welt Tausende von Therapeuten, weil das soziale Gefüge zusammenbricht." Mazarweh ist seit über 30 Jahren in der Friedensbwegung aktiv und leitet den Arabisch-Deutschen Kulturverein Freiburg.

Das ganze Gespräch mit Gehad Mazarweh steht in der aktuellen sonntaz. Darin spricht er auch über seinen eigenen Kampf mit dem Über-Ich und das Vorurteil Islam und Psychoanalyse seien unvereinbar.

21 Jan 2011

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Schwerpunkt Flucht

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