taz.de -- Stefan Liebich über Stasiunterlagenbehörde: "Jahn hat sich nie angepasst"

Die Linkspartei sieht die Stasiunterlagenbehörde kritisch. Deren neuen Chef Roland Jahn hat der Linkspartei-Abgeordnete Stefan Liebich trotzdem mitgewählt.
Bild: Der neue Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen: Roland Jahn.

taz: Herr Liebich, am Freitag wurde Roland Jahn zum neuen Chef der Stasiunterlagenbehörde gewählt. Hat er Ihre Stimme bekommen?

Liebich: Ja und ich denke die von etlichen anderen aus meiner Fraktion auch.

Sie hatten schon vorher angekündigt, dass Sie Jahn wählen wollen. Gab es dafür Kritik aus den eigenen Reihen?

Nein, gar nicht. Roland Jahn hat sich Anfang der Woche unserer Fraktion vorgestellt und da gab es viel positive Rückmeldung.

Heißt das, die Linkspartei hat sich mit der Institution Stasi-Unterlagenbehörde ausgesöhnt?

Das nun nicht gleich. Es gab ja bei der Gründung heftige Debatten über den Sinn einer solchen Institution. Übrigens in allen Parteien, wenn ich daran mal erinnern darf. Leider hat die Art und Weise, wie die bisherigen Leiter die Behörde geführt haben, nicht dazu beigetragen, dass die Skepsis vor allem innerhalb unserer Fraktion abgenommen hätte.

Und was ist Ihre persönliche Sicht?

Ich war damals sehr skeptisch. Aber Roland Jahn hat einen differenzierten Blick auf die DDR-Vergangenheit in Aussicht gestellt.

Und das unterscheidet ihn von Joachim Gauck und Marianne Birthler?

Als Gauck angetreten ist, war die Bevölkerung durchaus bereit, sich mit den Grautönen der DDR-Vergangenheit zu beschäftigen. Es ging dann aber sehr schnell und bis heute häufig nur darum, wer eine Akte hat und wer nicht.

Aber mit Roland Jahn wird sich das ändern?

Er ist einer, der sich weder in der DDR noch in der Bundesrepublik angepasst hat, aber sich an die Zeit in seiner Jugend erinnert, als er Rädchen im System war. Er ist gegen seinen Willen ausgebürgert worden. Das ist eine nachvollziehbare DDR-Biografie, die ihn für mich wählbar macht. Jahn hat gesagt, er will wissen, wie diese Diktatur funktioniert hat. Das ist zwar reichlich spät, würde aber dem ganzen Land gut tun.

Sie sehen ihre Partei als SED-Nachfolgerin. Roland Jahn sieht sich als Anwalt der SED-Opfer. Passt das zusammen?

Wir sind nun mal die Nachfolgerin der SED und zwar nicht nur formaljuristisch. 1989 hat sich der Sonderparteitag bewusst gegen die Auflösung entschieden. Und das gilt auch für die Gründung der Partei Die Linke 2007. Damit sind wir doch aber nicht die "Anwältin" der Täter. Im Gegenteil. Aber wir können auch nicht so tun, als ginge uns die Vergangenheit nichts an. .

Und was sagen Sie ParteikollegInnen wie Ulla Jelpke, die die Stasiunterlagenbehörde endlich abgeschafft wissen will?

Solange der Wunsch, auf diese Unterlagen zuzugreifen, noch so groß ist, bin ich nicht derjenige, der für eine Abschaffung plädiert.

28 Jan 2011

AUTOREN

Heim

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