taz.de -- RAF-Prozess in Stuttgart: Boock entlastet Becker

Rückendeckung vom Ex-Kampfgenossen: Peter-Jürgen Boock sagt im Prozess gegen Verena Becker aus, sie habe bei der Planung des Buback-Mords nicht als Einpeitscherin gewirkt.
Bild: "Da musste niemand überzeugt werden": der ehemalige RAF-Terrorist Peter-Juergen Boock (vorne r.) am Donnerstag im Zeugenstand in Stuttgart-Stammheim.

STUTTGART taz | Peter-Jürgen Boock hat zu Beginn seiner Zeugenaussage im Buback-Verfahren die Angeklagte Verena Becker entlastet. Sie habe nicht mehr als andere RAF-Mitglieder auf eine Ermordung des Generalbundesanwalts gedrängt.

Siegfried Buback war im April 1977 von einem Kommando der RAF ermordet worden. Die Bundesanwaltschaft wirft Becker Mittäterschaft vor. Sie habe zwar nicht auf Buback geschossen, aber die Gruppe zur Durchführung des Anschlags gedrängt. Außerdem sei sie bei der Ausspähung des Tatorts dabei gewesen und habe nach dem Mord Bekennerschreiben verschickt.

Boock berichtete bisher vor allem über die Formierung der zweiten Generation der RAF. Im Sommer 1976 hatten sich rund 15 Mitglieder militanter Gruppen zu einer militärischen Ausbildung im Jemen getroffen. Die Initiative ging vom damaligen RAF-Anwalt Siegfried Haag aus, der auch eine Prioritätenliste der Stammheimer Gefangenen um Andreas Baader und Gudrun Ensslin überbrachte. Am wichtigsten sei denen die Ermordung des Generalbundesanwalts gewesen. "Der General muss weg", hieß es in einem Kassiber. Dann erst folgte die Befreiung der Gefangenen und die Beschaffung von Geld durch eine Entführung.

Nach Boocks Erinnerung hat sich Becker im Jemen nicht als Einpeitscherin betätigt. "Da musste niemand überzeugt werden", sagte Boock. "Der Wunsch der Stammheimer Gefangenen war für uns alle Gesetz." Auch bei der Verteilung der Aufgaben habe Becker zu diesem Zeitpunkt keine besondere Verantwortung für das Buback-Attentat übernommen. "Die Federführung sollten die Leute aus Karlsruhe haben", sagte Boock. Gemeint waren damit Günter Sonnenberg, Christian Klar, Knut Folkerts und Adelheid Schulz.

Der Vorsitzende Richter Hermann Wieland mahnte Boock zu Beginn des Verhandlungstags, die "historische Chance" zur umfassenden Aussage zu nutzen. Im Januar hatte die Bundesanwaltschaft auch das letzte offene Ermittlungsverfahren gegen Boock eingestellt, damit dieser nicht mit Verweis auf eine mögliche Selbstbelastung die Aussage verweigern kann.

Boock hatte im Vorfeld des Buback-Mords eine Haftmine gebastelt, die beim Attentat hätte eingesetzt werden sollen - was aber aus technischen Gründen aufgegeben wurde. Die Ankläger ließen offen, ob sich Boock damit einer "Verabredung zum Verbrechen" schuldig gemacht hat.

3 Feb 2011

AUTOREN

Christian Rath

TAGS

Rote Armee Fraktion / RAF

ARTIKEL ZUM THEMA

Todesnacht von Stammheim: Neue Ermittlungen gefordert

Der Bruder von Gudrun Ensslin verlangt, dass die „Todesnacht von Stammheim“ noch einmal aufgearbeitet wird. Die Linkenpolitikerin Ulla Jelpke unterstützt ihn.

Buback-Prozess in Stuttgart: Kam, sah und schwieg

Der einstige RAF-Kämpfer Christian Klar hätte viel dazu beitragen können, den Mord an Siegfried Buback aufzuklären. Doch er verweigert die Aussage über dessen Mord.

Buback-Prozess: "Keine schützende Hand über Becker"

Ist die RAF-Terroristin Verena Becker im Buback-Prozess vom Staat geschützt worden? Bundesanwalt Rainer Griesbaum weist diesen Verdacht zurück.

Verena Becker vor Gericht: Ein RAF-Prozess als Farce

Seit 2009 läuft der Prozess gegen die Ex-RAF-Terroristin Verena Becker. Nun wurde Bommi Baumann angehört, der sie in die "Bewegung 2. Juni" aufnahm.

RAF-Prozess um Buback-Attentat: Boock hält Becker für Leichtgewicht

Ex-RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock hat seine einstige Kampfgenossin entlastet: "Sie sei nicht planerisch veranlagt", so Boock. Es bleibt also weiter unklar, wer Buback 1977 getötet hat.

Fall "Verena Becker": "Die Sola war es, die geballert hat"

Das Hamburger Institut für Sozialforschung präsentiert einen neuen Zeugen zum Buback-Mord. Es ist der ehemalige Chefreporter der "Bild"-Zeitung, Nils von der Heyde.

Keine Beugehaft für Wisniewski: Ex-RAFler darf schweigen

Stefan Wisniewski muss bei Ermittlungen zum Mord von 1977 an Arbeitgeberpräsident Schleyer nicht aussagen. Eine Beugehaft droht ihm auch nicht.

RAF-Prozess gegen Verena Becker: "Heimtückisch drei Menschen getötet"

Die Bundesanwaltschaft wirft Verena Becker vor, auf die "bedingungslose Umsetzung" der Mordpläne an Buback gedrungen zu haben. Die Angeklagte hüllt sich in Schweigen.

Debatte RAF-Prozess: Mitangeklagt ist der Staat

Bubacks Sohn vermutet ein Vertuschungskomplott beim Mord an seinem Vater, das es so wohl nicht gegeben hat. Geheimdienstelei führt aber zu genau solchen Annahmen.

Portrait Michael Buback: Der Kriminalist wider Willen

Eigentlich ist er Wissenschaftler, aber seit 2007 widmet sich Michael Buback vor allem der Aufklärung des Mords an seinem Vater. Weil er den Behörden misstraut.

Aufklärung des RAF-Terrorismus: Zeitreise nach Stammheim

Die Rote Armee Fraktion (RAF) ist längst Teil der politischen Folklore. Doch ihre Geschichte ist häufig noch ungeklärt. Auch dagegen soll der Verena Becker-Prozess helfen.