taz.de -- Schon 133.000 Briefwahlanträge zum Volksentscheid: Wasserentscheid läuft
Am kommenden Sonntag stimmen die Berliner über die Offenlegung der Wasserverträge ab. Die hohe Zahl der Briefwähler lässt die Aktivisten hoffen.
Beim Volksentscheid über die Offenlegung der Wasserverträge rückt ein Erfolg für die Initiatoren näher. Genau 133.990 Berliner haben nach Angaben der Landeswahlleiterin bis zum vergangenen Mittwoch einen Briefwahlschein beantragt und erhalten, neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Zum Vergleich: Elf Tage vor dem Volksentscheid Pro Reli vor zwei Jahren gab es 142.168 Briefwähler. Das entsprach letztlich etwa 20 Prozent der insgesamt abgegebenen Stimmen.
Die Frage ist, ob es der Initiator des Entscheids, der Berliner Wassertisch, schafft, nicht nur bei der Briefwahl, sondern auch bei der Abstimmung am Sonntag genügend Wahlberechtigte zu mobilisieren. Würde sich das Verhältnis von Briefwählern zu Wählern insgesamt genauso entwickeln wie beim Pro-Reli-Entscheid, dürften knapp 670.000 Stimmen abgegeben werden. Für einen Erfolg sind die Ja-Stimmen von 25 Prozent der Wahlberechtigten notwendig - das entspricht rund 619.000 Stimmen.
Allerdings sind die Voraussetzungen deutlich schlechter als bei Pro Reli. Während vor zwei Jahren Befürworter und Gegner die Straßen mit Plakaten vollklebten, ist der Volksentscheid ums Wasser in der Öffentlichkeit kaum zu sehen. "Die fehlende Gegenöffentlichkeit hemmt natürlich die Aufmerksamkeit", sagt Thomas Rudek vom Wassertisch. Die Initiative setzt sich seit Jahren für eine Offenlegung der Verträge über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vor zwölf Jahren ein. Damals verkaufte der schwarz-rote Senat 49,9 Prozent der Betriebe an die privaten Investoren RWE und Veolia.
Über zehn Jahre waren die Verträge dieses Verkaufs geheim. Erst nachdem die taz einen Teil veröffentlichte, stellte auch der Senat Ende 2010 mehrere hundert Seiten Verträge ins Internet. Zu diesem Zeitpunkt war der Volksentscheid aber nicht mehr zu stoppen. Das sollte er auch gar nicht, sagen seine Initiatoren. Sie sind der Ansicht, dass noch nicht alle Bestandteile der Vertrags veröffentlicht sind.
Zweiter Nachteil für die Wassertisch-Aktivisten: das Budget. Während Pro Reli nach eigenen Angaben einen "höheren 6-stelligen Betrag" zur Verfügung hatte und die Initiatoren des Volksentscheides zum Flughafen Tempelhof 2008 ihre Ausgaben auf eine Million Euro bezifferten, hat der Wassertisch rund 11.000 Euro für Kampagnen für den Volksentscheid zur Verfügung. Gut 12.000 Euro gaben sie für das Volksbegehren aus.
Trotzdem zeigt sich Rudek optimistisch: "Natürlich schaffen wir das", sagt er mit Blick auf den Entscheid am Sonntag. Um Berliner in den Bezirken zu mobilisieren, in denen die Beteiligung beim Volksbegehren niedrig war, sei seit vergangener Woche ein Lautsprecherwagen im Einsatz.
Die fehlende Gegenkampagne könnte auch einen Vorteil für die Aktivisten haben: Der Anteil der Nein-Stimmen dürfte gering sein. Ein Ausgang wie bei Pro Reli, wo die Zahl der Gegenstimmen die der Ja-Stimmen überwog, ist nicht zu erwarten.
Rudek blickt bereits über den kommenden Sonntag hinaus. Denn der Wassertisch will, dass die Wasserbetriebe wieder zu hundert Prozent Berlin gehören. Neben dem Plan, gerichtlich gegen die Verträge vorzugehen, hat Rudek eine weitere Idee: ein neues Volksbegehren - dieses Mal über ein "Gesetz zur bürgerfreundlichen Rekommunalisierung". Den Stimmen aus der rot-roten Koalition, einen Rückkauf der Wasserbetriebe anzustreben, traut er nicht.
7 Feb 2011
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